Category Archives: Beiträge auf Deutsch

Rechtsextreme Hetze in Halle: Die Silberhöhe brodelt

In Halle-Silberhöhe brodelt es. Seit rund drei Monaten leben Roma-Familien in der Plattenbausiedlung. Rechtsextreme hetzen gegen die Zuwanderer, doch Anwohner formieren sich gegen die Nazis.

Auf den ersten Blick unterscheidet sich Halle-Silberhöhe kaum von anderen Plattenbausiedlungen, die nach 1990 in ostdeutschen Städten saniert wurden. Doch hinter den hellen Fassaden brodelt es. Seit etwa einem Vierteljahr leben in einer Straße des Stadtteils 40 Roma-Familien, Wand an Wand in einem langen Wohnblock, mit Nachbarn, die teils seit Jahrzehnten in dem Viertel leben. Verständigen können sie sich kaum, Sprache und Kultur der jeweils anderen sind zu fremd, wie einige Menschen vor Ort berichten. Rechtsextreme missbrauchen die Lage nun für ihre Zwecke. „Im Internet kursiert, dass sich eine Bürgerwehr in Halle-Silberhöhe gründen will“, sagt Christof Starke, Sprecher des Bündnisses gegen Rechts. Dagegen und gegen sämtliche anderen Vorurteile gegen Menschen aus anderen Ländern und Kulturen gelte es ein deutliches Zeichen zu setzen. Dem Bündnis gehören rund 30 Organisationen und 60 Einzelpersonen an.

Auf der Straße ist in Halle-Silberhöhe von einer Bürgerwehr nichts zu sehen. Die Polizei bestätigt aber, dass es einen entsprechenden Aufruf zur Gründung via Internet in Facebook-Foren und auch rechte Parolen gibt. „Wir beobachten das alles sehr, sehr genau“, sagt eine Sprecherin. Die Polizei lehne eine Bürgerwehr und damit Selbstjustiz klar ab. Die Polizei ist nun häufiger in Halle-Silberhöhe unterwegs, zudem ermittelt sie wegen Volksverhetzung und Beleidigung in mehreren Fällen. Continue reading Rechtsextreme Hetze in Halle: Die Silberhöhe brodelt

Facebook-Gerüchte um Kindesentführung – Duisburger Polizei gibt Entwarnung

In einigen Duisburger Facebook-Gruppen machte seit Donnerstagmittag eine Schauergeschichte die Runde. Zwei Frauen sollen in Neumühl versucht haben, Eltern ihr Kind aus dem Wagen zu rauben. Wie aus einem Diebstahlversuch eine angebliche Kindesentführung wurde.

Sie schüren Angst, Hass, Vorurteile — und geistern jahrelang durchs Internet: Falschmeldungen wie die erfundene Geschichte über in Deutschland entführte Kinder, die der Organmafia zum Opfer fallen. Auch in den unterschiedlichen Duisburger Facebook-Gruppen sind diese oder andere Schauergeschichten schon aufgetaucht. Derzeit macht ein neuer Vorfall in Neumühl die Runde, der anscheinend etliche Eltern verunsichert, die sich auch an die Polizei gewendet haben.

In einem der mehr als 1000-mal geteilten Facebook-Postings, die zu dem Vorfall noch im Netz herumgeistern – andere sind mittlerweile gelöscht -, berichtete eine Duisburgerin von einer vermeintlichen Kindesentführung auf einem Parkplatz an der Lehrerstraße/Holtener Straße. Continue reading Facebook-Gerüchte um Kindesentführung – Duisburger Polizei gibt Entwarnung

Roma-Fußballer ohne Gegner

Der TJ Junior Roma ist Tabellenführer der dritten Kreisklasse im nordböhmischen Bezirk Decin. Doch seine Punkte hat der Roma-Verein allein am grünen Tisch gewonnen. Weil kein Gegner zum Spiel antritt.

Aus Sorge vor der angeblich brutalen Spielweise der Roma-Kicker verzichten die meisten Gegner bislang auf den Anpfiff der Partien. Trainer und Spieler vermuten offenen Rassismus hinter der Spielverweigerung. Eine internationale Diplomatenmannschaft spielt nun an diesem Wochenende gegen den TJ Junior Roma, um ein klares Zeichen gegen den Rassismus im tschechischen Fußball zu setzen.

Quelle: Deutschlandfunk
Stand: 18.09.2014

»Laßt uns Fackeln bauen«

Halle (Saale): Rassistische »Bürgerwehr« gegen Roma patrouilliert im Stadtviertel »Silberhöhe« und mobilisiert im Internet zu Pogromen

Erst Hetzparolen, dann ein Übergriff: In der Silberhöhe, einem Wohngebiet im sachsen-anhaltischen Halle (Saale), eskaliert der Fremdenhaß. Jetzt hat sich eine »Bürgerwehr gegen Roma« formiert, die ankündigt, regelmäßig »Streife« zu laufen. Das Bündnis »Halle gegen rechts« will nicht länger hinnehmen, »daß selbsternannte Ordnungshüter versuchen, andere Menschen zu bedrohen und anzugreifen«. Mit einer Demonstration unter dem Motto »Für Solidarität und Mitgefühl mit den Betroffenen rassistischer Gewalt« wollte das Bündnis gestern abend einem rassistischen »Rundgang« Kontra bieten und die Migranten schützen. Solche Szenen könnten sich nun Woche für Woche wiederholen.

Die Wohnungen in der Silberhöhe sind billig. Zu DDR-Zeiten lebten dort fast 40000 Menschen, vor allem Chemiearbeiter. Verblieben sind etwa 13000. Seit Jahren gilt das Plattenbauviertel als sozialer Brennpunkt. Als im April dieses Jahres 40 Familien aus Rumänien zuzogen, begann ein rassistischer Mob zu toben, zunächst im sozialen Netzwerk Facebook. Seit Anfang Juli existiert dort eine Gruppe namens »Bürger der Silberhöhe setzen sich zur Wehr«. Unter den inzwischen 674 Anhängern sind auch bekannte Neonazis. Die Gruppe ruft zum »Widerstand« gegen die Hallesche Wohnungsgesellschaft (HWG) und die Roma auf. Der Stadtteil werde »mit Imigranten förmlich überschüttet« (Rechtschreibfehler im Original), heißt es. Und: Die Roma produzierten Müll, sorgten für Lärm und Diebstähle, bedrohten Anwohner. Continue reading »Laßt uns Fackeln bauen«

»Laßt uns Fackeln bauen«

Halle (Saale): Rassistische »Bürgerwehr« gegen Roma patrouilliert im Stadtviertel »Silberhöhe« und mobilisiert im Internet zu Pogromen

Erst Hetzparolen, dann ein Übergriff: In der Silberhöhe, einem Wohngebiet im sachsen-anhaltischen Halle (Saale), eskaliert der Fremdenhaß. Jetzt hat sich eine »Bürgerwehr gegen Roma« formiert, die ankündigt, regelmäßig »Streife« zu laufen. Das Bündnis »Halle gegen rechts« will nicht länger hinnehmen, »daß selbsternannte Ordnungshüter versuchen, andere Menschen zu bedrohen und anzugreifen«. Mit einer Demonstration unter dem Motto »Für Solidarität und Mitgefühl mit den Betroffenen rassistischer Gewalt« wollte das Bündnis gestern abend einem rassistischen »Rundgang« Kontra bieten und die Migranten schützen. Solche Szenen könnten sich nun Woche für Woche wiederholen.

Die Wohnungen in der Silberhöhe sind billig. Zu DDR-Zeiten lebten dort fast 40000 Menschen, vor allem Chemiearbeiter. Verblieben sind etwa 13000. Seit Jahren gilt das Plattenbauviertel als sozialer Brennpunkt. Als im April dieses Jahres 40 Familien aus Rumänien zuzogen, begann ein rassistischer Mob zu toben, zunächst im sozialen Netzwerk Facebook. Seit Anfang Juli existiert dort eine Gruppe namens »Bürger der Silberhöhe setzen sich zur Wehr«. Unter den inzwischen 674 Anhängern sind auch bekannte Neonazis. Die Gruppe ruft zum »Widerstand« gegen die Hallesche Wohnungsgesellschaft (HWG) und die Roma auf. Der Stadtteil werde »mit Imigranten förmlich überschüttet« (Rechtschreibfehler im Original), heißt es. Und: Die Roma produzierten Müll, sorgten für Lärm und Diebstähle, bedrohten Anwohner. Continue reading »Laßt uns Fackeln bauen«

Kinder und Jugendliche attackieren in der Silberhöhe Roma-Frau und ihr Kind

Am Donnerstagnachmittag kam es in der Silberhöhe zu einer ausländerfeindlichen Attacke auf eine Roma-Frau. Die 26-Jährige saß mit ihrem kleinen Sohn auf den Treppenstufen eines leerstehenden Hauses in der Staßfurter Straße.

Gegen 15.45 Uhr kam laut Polizei eine Gruppe von etwa sechs bis acht Kindern und Jugendlichen im Alter von circa 10 bis 13 Jahren. Diese versuchten zunächst, die Frau zu bespucken, schlugen danach das zweieinhalbjährige Kleinkind der Frau mit einem Gegenstand. Zudem warfen sie mit einem Gegenstand nach der Frau, als diese der Gruppe nachlief. Auch ausländerfeindliche Parolen wurden durch die Gruppe gerufen. Die Polizei ermittelt wegen Körperverletzung und Volksverhetzung gegen Unbekannt.

Es ist nicht die erste ausländerfeindliche Attacke im Stadtteil. So wurden bereits Hakenkreuze und “Roma raus”-Sprüche geschmiert. Bei einer Anwohnerdemo gegen die Einquartierung von Roma wurden zudem ausländerfeindliche Sprüche gebrüllt, auch durch Kinder. Daneben kündigten Anwohner an, eine Bürgerwehr gründen zu wollen, um gegen die Roma vorzugehen.

Quelle: Halle Spektrum
Stand: 12.09.2014

Sinti und Roma zur Asylrechts-Verschärfung: Unsicher in sicheren Herkunftsstaaten?

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hat die von der Bundesregierung geplante Verschärfung des Asylrechts deutlich kritisiert. „Die Lage von Sinti und Roma in den westlichen Balkanstaaten ist nach wie vor von erheblichen Diskriminierungen und Benachteiligungen gekennzeichnet, so dass große Teile der Roma-Bevölkerung dort in ihrer Existenz bedroht sind“, sagte der Zentralratsvorsitzende Romani Rose der Nachrichtenagentur dpa.

Unter welchen Bedingungen werden die Grünen zustimmen?

Die Bundesregierung will Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten einstufen. Antragsteller von dort könnten dann schneller abgewiesen werden. In den drei Ländern gebe es keine Verfolgung, Folter, willkürliche Gewalt oder erniedrigende Behandlung, lautet die Argumentation. Der Bundestag hat die Pläne bereits verabschiedet. Sie bedürfen aber der Zustimmung des Bundesrats, wo es Widerstand vor allem grün regierter Länder gibt.

Das Leben in Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina sei für Roma keineswegs sicher, erklärte Rose. „Große Teile der Minderheit haben in diesen Ländern keine Chance auf dem Arbeitsmarkt, sie sind von jeder Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen.“ Für Roma, die in Deutschland lediglich geduldet würden, könne die Umsetzung der Pläne eine Abschiebung bedeuten.

Demonstration gegen Asylrechtsverschärfung angekündigt

Gegen die geplante Asylrechtsverschärfung sprechen sich auch zahlreiche Nicht-Regierungsorganisationen aus. Sie haben für den Mittag zu einer Demonstration in Stuttgart aufgerufen. Unter dem Motto „Roma haben kein sicheres Herkunftsland“ sprechen unter anderem Vertreter des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg und des „Freiburger Forums aktiv gegen Ausgrenzung“.

Die Zahl der Asylbewerber vom Balkan hat deutlich zugenommen: 2013 stammte fast ein Fünftel der Anträge von Menschen aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina. Die überwiegende Mehrheit der Anträge wird jedoch als unbegründet abgelehnt.

Mehr Stellen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Angesichts der Flüchtlingswelle soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im kommenden Jahr 50 zusätzliche Stellen erhalten, berichtet die „Passauer Neue Presse“. Ziel sei es, Asylverfahren schneller bearbeiten zu können.

Dafür seien im Haushaltsplan des Bundes 2,8 Millionen Euro vorgesehen, wurde dem Blatt in Koalitionskreisen bestätigt. Den Haushalt wird der Bundestag im November beschließen. Bereits in diesem Jahr hatte die Nürnberger Behörde 300 zusätzliche Stellen erhalten. Der Berichterstatter für den Haushalt des Bundesinnenministers, Reinhard Brandl (CSU), beklagte jedoch, „dass 50 Stellen mehr nicht ausreichen werden“.

Quelle: tagesschau.de
Stand: 13.09.2014

Rassistische Attacken gegen Roma in Halle (Saale)

In Halle an der Saale wurde eine Romni und ihr zweijähriges Kind von mehreren Kindern und Jugendlichen rassistisch beschimpft, bespuckt und mit Schlägen attackiert, wie mdr und Halle Spektrum gestern berichteten. Der Vorfall wird auf Facebook reihenweise rassistisch kommentiert, was einen exemplarischen Eindruck der herrschenden Stimmung gegen Roma vermittelt.

Einen Tag vor der gestrigen Attacke hatte der mdr gemeldet, die Anwohner_innen von Halle-Silberhöhe planten die Bildung einer “Bürgerwehr gegen Sinti und Roma“. Das lässt aufhorchen. Denn es sind “Bürgerwehren”, die z.B. in Ungarn mit Gewaltaktionen gegen Roma in Erscheinung treten. Und zur Erinnerung: den Rostocker Pogromen 1992 ging die Gründung einer Lichtenhagener Bürgerwehr voraus, deren Zweck es war “aufzuräumen”.

Während die Ereignisse in Halle eine konkrete rassistische Bedrohungslage belegen, spricht der mdr fortwährend verharmlosend von einem “Konflikt zwischen Anwohnern und Zuwanderern” und beschreibt in den beiden verlinkten Beiträgen ausschließlich die Sicht der “Anwohner”.

Quelle + weiterführende Links: Der Paria
Stand: 13.09.2014

Antiziganismus-Studie: Jeder dritte Deutsche will keine Roma als Nachbarn

Die Ausgrenzung von Sinti und Roma ist in Deutschland stark ausgeprägt. Das zeigt eine neue Studie des Bundes: Jeder Zweite schiebt die Schuld an dieser Diskriminierung auf die Minderheit.

Ein Großteil der Deutschen nimmt Sinti und Roma nicht als gleichberechtigte Mitbürger wahr. Das ist das Ergebnis einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Die Befunde seien „dramatisch“, sagte die Behördenchefin Christine Lüders am Mittwoch: „Gleichgültigkeit, Unwissenheit und Ablehnung bilden zusammen eine fatale Mischung, die Diskriminierungen gegenüber Sinti und Roma den Boden bereiten.“

Die wichtigsten Ergebnisse der Erhebung im Überblick:

Jeder dritte Deutschen fände Sinti und Roma als Nachbarn „sehr oder eher unangenehm“.

Keiner Bevölkerungsgruppe wird weniger Sympathie entgegengebracht als Roma und Sinti.

Die Hälfte der Bevölkerung denkt, dass Sinti und Roma durch ihr eigenes Verhalten Feindseligkeit hervorrufen.

Jeder Zweite hält Einreisebeschränkungen für ein probates Mittel, um Probleme im Umgang mit Sinti und Roma zu reduzieren.

Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, zeigte sich besorgt: „Die Studie zeigt, dass es eine hohe Ablehnung von Sinti und Roma gibt und dass tiefsitzende Vorurteile immer wieder reaktiviert werden können.“ Das Feindbild „Zigeuner“ sei in Deutschland hoch virulent.

„Wir alle müssen handeln“

„Die Studie ist ein Warnsignal“, sagt auch Behördenchefin Lüders. Besonders auffällig sei, dass Sinti und Roma in allen sozialen Schichten und über Altersgrenzen hinweg nicht als gleichberechtigt wahrgenommen würden. „Das heißt, wir alle müssen handeln, um die Minderheit besser zu integrieren“, so Lüders.

Um Risiken von Ausgrenzung besser sichtbar zu machen, fordere die Antidiskriminierungsstelle einen regelmäßigen Bericht zu Rassismus und ethnischer Diskriminierung in Deutschland. Durch Öffentlichkeitskampagnen wolle man das Thema besser bekannt machen. „Abschottung bringt uns nicht weiter“, sagt Lüders. „Die Studie hat gezeigt, dass viele überhaupt nichts über Sinti und Roma wissen.“

Nach Meinung des Zentralratsvorsitzenden Rose gab es aber „auch positive Aspekte“ der Studie: „81 Prozent der Befragten wussten, dass Roma und Sinti im Nationalsozialismus verfolgt wurden“. Allerdings weicht das Wissen darüber stark nach Altersgruppen ab (siehe Bilderstrecke). Der Geschichtsunterricht in der Schule müsse das Schicksal der Sinti und Roma umfassender berücksichtigen.

Die Studie „Zwischen Gleichgültigkeit und Ablehnung – Bevölkerungseinstellungen gegenüber Sinti und Roma“ basiert auf einer Forsa-Umfrage. Das Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität in Berlin und das Institut für Vorurteils- und Konfliktforschung ließen dafür 2001 Deutsche befragen.

Quelle: Spiegel.de
Stand: 03.09.2014

Roma in Ungarn: Kein Interesse für die Opfer

Fünf Jahre nach der rechtsextremistischen Mordserie

Im August 2009 wurden in Ungarn mehrere Rechtsterroristen gefasst: Sie hatten sechs willkürlich ausgewählte Roma erschossen und 55 Menschen verletzt, ebenfalls fast alle Roma. Die Mordserie ist bis heute nur ansatzweise aufgearbeitet.

„Schlaft, es ist nur der Wind!“, sagt die Mutter zu ihren Kindern. Doch der Junge hört sie kommen.

„Sie sind da“, schreit der Junge. „Raus, raus!“ Sie laufen aus dem Haus, direkt vor die Schrotflinten der heimtückischen Mörder, die im Dunkel der Nacht lauern.

So passiert es in der vorletzten Szene des Filmes „Nur der Wind“ des ungarischen Regisseurs Bence Fliegauf. Der international preisgekrönte Spielfilm erzählt die fiktive Geschichte einer Roma-Familie, die von rassistischen Mördern erschossen wird. Sie basiert auf wahren Ereignissen. In den Jahren 2008/2009 ermordeten rechtsextreme Terroristen in Ungarn bei Anschlägen sechs Roma, darunter einen vierjährigen Jungen, und verletzten 55 Menschen, ebenfalls fast alle Roma, zum Teil lebensgefährlich. Den letzten Mordanschlag verübten sie am 3. August 2009, drei Wochen später wurden sie gefasst: vier Männer mittleren Alters mit einschlägiger rechtsextremer Vergangenheit.

Heute, fünf Jahre später, ist die Geschichte dieser Mordserie in Ungarn nur ansatzweise aufgearbeitet: Zwar wurden drei Täter vergangenes Jahr zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt, ein Komplize zu 13 Jahren, jedoch steht ein langes Berufungsverfahren bevor. Zum anderen spielten ungarische Geheimdienste während der Romamordserie, ähnlich wie bei den NSU-Morden, eine zwiespältige Rolle: So etwa gaben sie während der Mordserie wichtige Erkenntnisse über die Täter nicht an die Ermittler weiter. Die genauen Umstände werden derzeit untersucht. Außerdem fahnden Ermittler noch nach mutmaßlichen Mittätern und Helfershelfern. Vor allem aber: Die meisten überlebenden Opfer und Angehörigen der Mordserie leben in tiefster Armut – eine Folge der Anschläge, aber auch des öffentlichen Desinteresses an den Opfern.

Erinnerungen eines Anschlagopfers

Krisztián Rontó schaut aus dem Fenster seines Wohnzimmers. Der junge Mann zeigt auf den Tatort. Da drüben, auf der anderen Seite des Flusses, stand der Schütze, 70 Meter entfernt, versteckt zwischen Büschen:

„Der Anschlag war am 15. Dezember 2008, es regnete und war schon dunkel, es passierte so gegen vier, halb fünf. Ich ging nach draußen, um Holz zu zersägen. Da kam der erste Schuss. Das Projektil schlug in die Mauer ein. Ich dachte, jemand spielt mit Böllern. Ich ging auf die Straße, um nachzuschauen, sah aber nichts. Dann nahm ich das Holz auf den Arm und wollte ins Haus gehen. Als ich vor der Tür stand, kam der zweite Schuss. Auch da dachte ich, es ist ein Böller, diesmal, dass ich auf ihn getreten sei, denn ich hatte ein Gefühl im linken Bein, als ob ich einen Stromschlag bekommen hätte. Plötzlich spürte ich etwas Heißes in der Beckengegend. Blut floss an mir herunter. Dann verlor ich das Bewusstsein und brach zusammen. Ich wachte erst wieder auf der Intensivstation auf.“

Krisztián Rontó, 25 Jahre alt, schmal, hoch aufgeschossen, dunkelblondes Haar, wohnt in dem nordostungarischen Dorf Alsózsolca. Er wirkt völlig arglos und noch fast jungenhaft. Rontó hat die 8. Klasse abgeschlossen und ein paar Jahre lang auf Baustellen gejobbt. Drei Monate vor dem Mordanschlag hatte er eine spezielle Berufsschulausbildung für Roma-Jugendliche in der nahegelegenen Großstadt Miskolc begonnen – er träumte davon, die neunte und zehnte Klasse zu schaffen und Malermeister zu werden. Doch die Mörder zerstörten seinen Traum: Nach dem Anschlag kämpften die Ärzte tagelang um sein Leben, es dauerte Monate, bis er wieder normal essen und laufen konnte.

Länger andauernde körperliche Arbeit kann Krisztián Rontó nicht mehr verrichten und konnte deshalb auch die Berufsausbildung nicht beenden.

„Meine Harnblase, mehrere Adern und inneres Gewebe waren verletzt, mein Steißbein war zersplittert. Das Projektil war durch mich hindurchgegangen und hatte ein vier Zentimeter großes Loch hinterlassen. Innen war alles zerfetzt. Mein linkes Bein spüre ich nicht mehr, weil durch die Schussverletzung mehrere Nervenstränge zerstört wurden. Im Oberschenkel spüre ich noch etwas, aber an der Wade und Fußsohle nichts mehr. Als ich aus dem Krankenhaus kam, sagte der Arzt, dass der Zustand meines Beines sich in fünf bis zehn Jahren verschlechtern werde, ich würde Schmerzen haben, schwerer gehen und vielleicht in einen Rollstuhl kommen. Gott sei Dank ist es noch nicht so schlimm. Aber wenn ich länger laufe, dann schwillt das Bein an, im Oberschenkel spüre ich Stiche, und manchmal bekomme ich Krämpfe. Continue reading Roma in Ungarn: Kein Interesse für die Opfer