Category Archives: Deutschland

PRESSEINFORMATION

Initiative „Leipzig Korrektiv“
c/o Vereinigung der ausländischen Bürger im Freistaat Sachsen e.V.
Haus der Demokratie – Leipzig
Bernhard-Göring-Straße 152
04277 Leipzig

Die Bundestagswahlen waren kaum vergangen und die Tinte des Koalitionsvertrages der jetzigen Regierung noch nicht getrocknet, da gab es schon viel Anlass zu Kritik an diesem Koalitionsvertrag. Ein Grund dafür ist die geplante Erklärung von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu sogenannten „Sicheren Herkunftsländern“. Diese Einstufung ermöglicht es, die Ablehnung der Anträge von Asylsuchenden aus diesen Ländern sowie deren Abschiebung zu beschleunigen. Der Leipziger Stadtrat dagegen hatte zuvor am 16.05.2012 – zumindest als symbolischen Akt gegen Abschiebungen – einen Antrag zur Unterstützung einer Kampagne für ein Humanitäres Bleiberecht für langjährig geduldete Roma in Leipzig angenommen – gegen die Stimmen der zwei NPD-Rassisten und mit einigen Enthaltungen in der CDU-Fraktion. – Angesichts der tatsächlichen Situation in den besagten Ländern sollte auch die vorgesehene Entscheidung zu den sogenannten „Sicheren Herkunftsländern“ hinterfragt werden.

Dieser Aufgabe wollten wir – die drei Leipziger Stephan Bosch (Leipziger Friedenspreisträger 2009), Richard Gauch (Preisträger „Couragiert in Leipzig 2013), beide Mitglieder der Initiative „Leipzig Korrektiv“, sowie Ricky Burzlaff, ein langjährig für die Interessen von Roma und Flüchtlingen auf dem Balkan tätiger Aktivist – uns annehmen. Auf das Problem aufmerksam geworden waren wir durch einen Artikel über eine mazedonische Familie, die unendliches Leid durchstehen musste.

So wohnten wir gemeinsam am 6. Mai der Anhörung am Verwaltungsgericht Leipzig bei, deren Zweck die Entscheidung über den Asylantrag einer mazedonischen Familie war. Der Familienvater trug dem Gericht vor, dass seine sechsköpfige Familie in einem Roma-Slum in der Stadt Veles (Mazedonien) gelebt hatte. Nachdem Unbekannte seine Frau im Beisein der vier Kinder vergewaltigt hatten, habe er beschlossen mit seiner Familie nach Deutschland zu flüchten. Dies sei das Land, in dem er seine Jugend verbracht habe, sagte er. Jedoch wollte das Unglück der Familie auch hier noch nicht enden. Am 30. März 2013 wurde der damals elfjährige Sohn der Familie in Leipzig-Grünau Opfer eines Gewalttäters, der schon 1985 ein Kind missbraucht und anschließend getötet hatte.
Was war geschehen? Die L-iz.de meldete: „Reiner G. nähert sich Y.von hinten. Minutiös schildert der Junge den Angriff. G. hielt seinem Opfer den Mund zu und zerrte den jungen Mazedonier vom Fußweg ins Gebüsch. „Dann hat er mich mit zwei Händen gewürgt“, berichtet Y. tapfer. „Ich hab keine Luft gekriegt.“ Nun ließ der Angreifer die Hose fallen. Der Penis war erigiert, erinnert sich das Opfer.“ Continue reading PRESSEINFORMATION

Getötet, weil er im Weg war

Auch tausende Kinder fielen dem Euthanasie-Programm der Nazis zum Opfer. Jetzt wird das Leben des 14-jährigen Augsburgers Ernst Lossa verfilmt.

Ernst Lossa wäre in diesem Jahr 85 Jahre alt geworden, erlebt hat er nicht einmal seinen 15. Geburtstag. Der Augsburger Bub gehörte der Minderheit der Jenischen an und wurde von den Nazis im Rahmen des sogenannten Euthanasie-Programms ermordet. Vor wenigen Jahren erschien Lossas Geschichte als Buch, nun soll sein Leben verfilmt werden. Die Volksgruppe den Jenischen setzt große Hoffnungen in den Kinostreifen. „Wir versprechen uns, dass sich die Bevölkerung endlich mit der Geschichte der Jenischen beschäftigt“, sagt der Vorsitzende des Bundesrats der Jenischen Deutschlands, Timo Adam Wagner. Denn Lossas Schicksal sei kein Einzelfall für die Jenischen während der Hitler-Diktatur gewesen. „Es gab kaum eine Familie, die nicht betroffen war.“

Die Jenischen lebten laut Wagner damals überwiegend in Süddeutschland. Doch im Unterschied zu Sinti und Roma sind sie bis heute kaum bekannt. Ihr Bundesrat fordert entsprechend, dass die systematische Verfolgung durch die Nazis erforscht wird. Bislang seien nur Einzelfälle dokumentiert, sagt Wagner. Genaue Zahlen von Opfern unter den Jenischen gebe es nicht. Der Vorsitzende schätzt, dass es damals rund 100 000 Todesopfer gab. Viele weitere seien inhaftiert oder zwangssterilisiert worden, erklärt Wagner.

Lossas Vater stirbt in Flossenbürg

Auch Ernst Lossas Vater wurde verfolgt, ins Konzentrationslager Dachau gesperrt, er stirbt schließlich im oberpfälzischen KZ Flossenbürg. Ernst kommt mit seinen beiden Schwestern in ein Augsburger Kinderheim, seine Mutter stirbt in einem Krankenhaus bereits mit 23 Jahren. Später wird der Junge in ein Nazi-Erziehungsheim gebracht, schließlich landet er in der Heil- und Pflegeanstalt in Irsee und wird – wie viele andere dort – umgebracht. Mit 14 Jahren stirbt Ernst Lossa im August 1944 durch zwei Giftspritzen. Nach dem Krieg werden die Morde in einem Euthanasie-Prozess in Augsburg verhandelt, doch die Täter kommen mit milden Strafen davon. Vor wenigen Jahren schreibt der Autor Robert Domes die Lebensgeschichte des Buben auf.

Quelle: Mittelbayrische Zeitung
Stand: 11.06.2014

Rechtsextremismus-Studie: Massive Vorbehalte gegenüber Roma

Ein Studie der Universität Leipzig zufolge denken immer weniger Deutsche rechtsextrem. Trotzdem lehnen viele bestimmte gesellschaftliche Gruppen wie Asylsuchende oder Muslime weiterhin ab.

Rechtsextreme Meinungen finden sich in Deutschland mittlerweile deutlich seltener als noch vor zwölf Jahren. Der Anteil der Menschen mit einer fest gefügten rechtsextremen Weltanschauung hat sich seit 2002 von knapp 10 Prozent auf 5,6 Prozent nahezu halbiert, wie aus einer am Mittwoch in Berlin vorgestellten Studie von Wissenschaftlern der Universität Leipzig hervorgeht.

Allerdings lehnen der Studie zufolge viele der Befragten bestimmte gesellschaftliche Gruppen wie Asylsuchende oder Muslime weiterhin ab. 73,5 Prozent der Westdeutschen und 84,7 Prozent der Ostdeutschen äußerten sich abwertend über Asylbewerber. Auch Sinti und Roma sowie Muslime werden von fast der Hälfte der Befragten abgelehnt.

Rechtsextreme Einstellungen finden demnach sowohl im Osten als auch im Westen weniger Akzeptanz als zuletzt. Als einen Grund dafür sehen die Wissenschaftler die gute Wirtschaftslage in Deutschland. Der Mitverfasser der Studie Oliver Decker betonte, die wirtschaftliche Gesamtentwicklung mit Wachstum und Exportsteigerung sei so gut wie seit Jahren nicht mehr und stabilisiere die Mitte der Gesellschaft.

Die Wissenschaftler untersuchen seit 2002 alle zwei Jahre die Entwicklung rechtsextremer Einstellungen in Deutschland. Grundlage 2014 war die bundesweite Befragung von 2 500 Menschen. Die Wissenschaftler fragten mehrere Stellungnahmen innerhalb von sechs Kategorien ab. Unter der Kategorie „Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur“ lautete eine dieser Stellungnahmen: „Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert.“

Dem stimmten 12,4 Menschen aus Ostdeutschland zu und 8,4 Prozent aus Westdeutschland, insgesamt also 9,2 Prozent. Innerhalb der Kategorie „Antisemitismus“ dreht sich das Verhältnis zwischen Ost und West um. Dort wurde unter anderem die Meinung abgefragt: „Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß.“ Dem stimmten 10,1 Prozent der Ostdeutschen zu sowie 12 Prozent der Westdeutschen (gesamt: 11,6 Prozent).

Auffällig in dem Zusammenhang war, dass die Zufriedenheit mit der Politik in Deutschland offenbar steigt. Zu einer „Demokratie wie sie in der BRD funktioniert“ zeigten 46,8 Prozent der Ostdeutschen ihre Zustimmung und lagen damit nicht weit von dem Wert der Westdeutschen (54,9 Prozent) entfernt. 2006 betrug der Abstand noch beinahe 20 Prozent (Ost: 27,3; West 46,0).

Quelle: Mitteldeutsche Zeitung
Stand: 04.06.2014

Ressentiments gegen Sinti und Roma: „Das Schreckensbild des Zigeuners hält sich beharrlich“

Die Ablehnung von Sinti und Roma nimmt in Deutschland zu: Mehr als die Hälfte der Befragten zeigten in einer Studie antiziganistische Einstellungen. Schuld an der Entwicklung seien auch die etablierten Parteien, sagt Zentralrats-Vize Silvio Peritore.

Silvio Peritore, geboren 1961 in Karlsruhe, ist Vize-Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Er studierte unter anderem Politik und Geschichte und promovierte zum Thema „Der NS-Völkermord an den Sinti und Roma in der deutschen Erinnerungsarbeit“. Heute lebt und arbeitet Peritore in Heidelberg.

SPIEGEL ONLINE: Herr Peritore, einer Studie der Uni Leipzig zufolge haben erschreckend viele Deutsche ein Problem damit, wenn sich Sinti und Roma in ihrer Gegend aufhalten. Mit dieser Position hätte man momentan die absolute Mehrheit im Land. Macht Ihnen das Angst?

Peritore: Es ist jedenfalls ein Phänomen, das wir schon seit Jahrzehnten beobachten: Das Schreckensbild des sogenannten Zigeuners hält sich beharrlich, auch wenn es mit der Lebensrealität der Sinti und Roma in Deutschland nichts zu tun hat.

SPIEGEL ONLINE: Wie erklären Sie sich solche Vorbehalte?

Peritore: Die NPD, aber auch etablierte Parteien in der Mitte der Gesellschaft haben zuletzt Wahlkampf auf dem Rücken dieser Minderheit ausgetragen. Die CSU etwa, indem sie vor der sogenannten Armutszuwanderung warnte. Auch die AfD reitet auf dieser Welle und entdeckt alte Feindbilder neu. Leider stößt sie damit auf Zustimmung.

SPIEGEL ONLINE: Dann sehen Sie die Verantwortung für den um sich greifenden Antiziganismus bei den Parteien?

Peritore: Natürlich gibt es viele vernünftige Politiker, aber leider auch Populisten, die Stimmungen ganz gezielt anheizen. Als die Slowakei, Tschechien, Rumänien oder Bulgarien der EU beitraten, waren Wirtschaft und Politik daran interessiert, neue Absatzmärkte zu erschließen und viel Geld zu verdienen. Dann muss man aber auch in Kauf nehmen, dass sich Menschen aus diesen Ländern nach dem Beitritt in der EU frei bewegen können. Dass sie gleiche Chancen haben, auf Beschäftigung, Bildung und menschenwürdiges Wohnen. Dagegen sperrt man sich nun, indem man ein populistisches Feindbild zeichnet. Continue reading Ressentiments gegen Sinti und Roma: „Das Schreckensbild des Zigeuners hält sich beharrlich“

Zentralrat der Sinti und Roma zeigt Pro NRW an

Juristischer Ärger für Pro NRW: Der Zentralrat der Sinti und Roma hat Strafanzeige und -antrag gegen Verantwortliche der Partei wegen ihres Wahlwerbespots zur Europawahl erstattet. Der Vorwurf: Volksverhetzung und Beleidigung.

Das Feindbild “Zigeuner” spielte in dem Wahlkampf eine zentrale Rolle – nicht nur bei NPD und Pro NRW, sondern auch die AfD und Union setzten auf Ressentiments gegen “Osteuropäer” oder auch “Bulgaren und Rumänen”, die neue Chiffren für Sinti und Roma. Kanzlerin Merkel betonte kurz vor der Wahl zudem noch davon, die EU sei keine “Sozialunion”.

Pro NRW versuchte es weniger subtil. Die Partei produzierte einen Werbespot, in dem nach Ansicht des Zentralrats der Sinti und Roma pauschal rassistische Hetze gegen Sinti und Roma betrieben worden sei. Diese sei nicht von der Meinungsfreiheit im Wahlkampf gedeckt. Weiter heißt es in der Anzeige, die Publikative.org vorliegt:

“Zu Filmbildern von vermüllten Straßen und Wohnbereichen, aggressiven Personen und einem Mann auf der Straße mit einem großen Messer mit dazu eingeblendeten Parolen wie ,,Asylbetrüger schnell ermitteln” und ,,Wut im Bauch, lass es raus” wird ein Rap-Song unterlegt, bei dem der wiederholte Refrain ,,like a gypsy” (wie ein Zigeuner) lauter hervorgehoben wird.”
Dieser Spot in seiner Gesamtaussage beleidige nicht nur eine Minderheit als eine abgegrenzte Gruppe (§ 185 STGB), die Opfer des NS-Völkermordes wurde, sondern beinhalte ein so massives und emotional orientiertes Hasspotential, das geeignet sei, die Minderheit gesellschaftlich auszugrenzen und den öffentlichen Frieden zu gefährden (§ 130 STGB).

Der Zentralrat betont zudem, “ein Wahlkampf, der nicht auf eine scharfe oder überspitzte Meinungsäußerung abzielt, sondern blanken rechtsextremistischen Rassismus gegen die Minderheit betreibt, kann im Wahlkampf des demokratischen Rechtsstaats in Deutschland unter keinen Umständen hingenommen werden”.
Zudem verbreitet Pro NRW in dem Clip Parolen wie “Bürgermut stoppt Asylantenflut” oder “Wut im Bauch – lass es raus!”. Dazu wurden offenkundig Menschen ohne deren Einwilligung für den Spot gefilmt, darunter sogar Kinder, die aus dem Fenster schauten. Angesichts dieses “Gesamtkunstwerks” könnten die erwähnten Parolen durchaus wie ein indirekter Aufruf zu Aktionen gegen Sinti und Roma verstanden werden.

Auch die NPD hatte auf Hetze gegen Sinti und Roma gesetzt und eine angebliche Diskussionsveranstaltung mit Romani Rose, dem Vorsitzenden des Zentralrats, angekündigt. Weil Rose zu einer Kontaktaufnahme genötigt werden sollte, erstattete der Zentralrat auch hier Anzeige.

Quelle + Bilder: Publikative.org
Stand: 27.05.2014

Gedenken an KZ-Aufstand der Sinti und Roma

Der Aufstand im Warschauer Getto 1943 ist den meisten ein Begriff. Weniger bekannt ist, dass es auch einen Aufstand im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau der Sinti und Roma gab. Am 16. Mai 1944 leisteten sie bewaffneten Widerstand gegen ihre drohende Vernichtung. Sie konnten sie aufschieben – aber nicht verhindern.

Die SS in Auschwitz wollte am 16. Mai 1944 die noch lebenden dort inhaftierten Sinti und Roma in die Gaskammern schicken. Doch sie widersetzten sich: Mit Steinen und Werkzeugen bewaffnet verbarrikadierten sie sich in den Baracken. Es gelang ihnen, ihrer Vernichtung so vorerst zu entkommen. Der Aufstand im Lagerabschnitt II B von Auschwitz-Birkenau, dem „Zigeunerlager“, war ein Höhepunkt des Widerstandes, den die Sinti und Roma auf vielfältige Weise gegen die Verfolgung und Vernichtung durch die Nationalsozialisten leisteten. Doch auch ihr Widerstand wurde gebrochen: Nach der Selektion aller arbeitsfähigen Häftlinge wurde das „Zigeunerlager“ Anfang August aufgelöst. Die zurückgebliebenen 2900 Menschen starben in den Gaskammern.

„Zigeunerlager“ in Auschwitz-Birkenau

Auch Sinti und Roma waren von der nationalsozialistischen Rassenideologie betroffen. Zwischen 1933 und 1945 wurden Hunderttausende Menschen in Deutschland und anderen Ländern Europas als „Zigeuner“ verfolgt. Sie selbst bezeichneten sich meist als Sinti, Roma, Lalleri, Lowara oder Manusch. In Europa am stärksten vertreten waren die Sinti und Roma. Ziel der Nationalsozialisten war die Vernichtung dieser Minderheit. Sie wurden verschleppt und in Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet.

Fortsetzung der Diskriminierung nach 1945

In Auschwitz-Birkenau wurde ein eigenes „Zigeunerlager“ errichtet. Dort waren insgesamt 23.000 Menschen inhaftiert – die Hälfte davon jünger als 14 Jahre. Im Mai 1944 waren noch etwa 6000 Menschen am Leben. Von den erfassten 40.000 deutschen und österreichischen Sinti und Roma wurden über über 25.000 ermordet. Insgesamt fielen der Vernichtung durch die Nationalsozialisten aus dieser Volksgruppe schätzungsweise 220.000 bis 500.000 Menschen zum Opfer. Nach 1945 ging die Diskriminierung der Sinti und Roma weiter. Viele der für die Verfolgung und Vernichtung Verantwortlichen machten in den Behörden der Bundesrepublik Karriere. Erst 1982 wurde der Völkermord als rassistisch von der Bundesregierung anerkannt. Entschädigungszahlungen gab es kaum. Die Begründung: Sinti und Roma seien als potenzielle Verbrecher „kriminalpräventiv“ inhaftiert worden.

Quelle: Deutschlandradio Kultur
Stand: 16.05.2014

Versuchtes Tötungsdelikt an Polizistin: Zentralrat Deutscher Sinti und Roma wehrt sich gegen rechtsextreme Pauschalisierung

Hohe Wellen schlägt weiterhin die Auseinandersetzung zwischen einer Sinti-​Großfamilie und der Polizei, die sich am Sonntag nach einem Hilferuf von Angehörigen der Hochschule für Gestaltung im Technikpark Gmünd-​West („Krähe“) abspielte.

Wie berichtet, gab es zunächst die Bitte der Stadtverwaltung, dass die Wohnwagenkolonne den Schießtalplatz verlassen möge, weil dort der Maimarkt aufgebaut werde. Sodann fuhren die etwa 50 Sinti unberechtigt eine Wiese am Gmündtech in der Krähe an, wo Studenten eine genehmigte Veranstaltung aufbauen wollten. Die Situation eskalierte.
Es kam zu einem Großeinsatz der Polizei. Bei der Weiterfahrt zum Wanderparkplatz am Limes-​Informationszentrum im Rotenbachtal, den Ordnungsamtsleiter Gerd Hägele als Bleibe zugewiesen hatte, fuhr der 45-​jährige Fahrer eines Wohnwagengespanns eine Polizistin an und verletzte sie.
Ermittelt wird nun gegen den 45-​Jährigen wegen eines versuchten Tötungsdeliktes gegen weitere Personen wegen Beleidigung. Er sitzt in Haft. Die Landfahrer blieben nur eine Nacht in Gmünd und hinterließen am Montagabend nun den Limes-​Wanderparkplatz in einem üblen Zustand: Säckeweise Abfall und Wertstoffe (jede Menge leere Getränkedosen) wurden zurückgelassen. Die Fläche und angrenzende Böschungen war zudem durch Unrat verschmutzt, der vorher dort noch nicht abgelagert war. Auf diesen „Abschiedsgruß“ eingehend, erklärte gestern der Gmünder Ordnungsamtsleiter, dass er diese Vorgänge nicht verstehe. Mit dieser Familie, die schon mehrmals in Gmünd zu Gast gewesen sei, habe es bislang noch keine Probleme gegeben. Für die Beseitigung der Abfälle durch das Baubetriebsamt der Stadt sei von dieser Landfahrer-​Großfamilie seither auch immer ganz selbstverständlich eine Kaution von 200 Euro hinterlegt worden. Diesmal jedoch laut Hägele nicht. Gestern Morgen wurde die wilde Müllkippe gleich aufgeräumt. Andererseits schade, weil Büchsen– und Flaschensammler angesichts dieses „Reichtums“ tagsüber noch ihre helle Freude gehabt hätten.
Das Verhalten der Sinti-​Familie hat sehr viele emotionsgeladene Kommentare in Internetforen, seit zwei Tagen leider auch zunehmend in rechtsradikalen Netzwerken ausgelöst. Vieles ist nicht zitierfähig, weil auch verfassungswidrig und menschenverachtend. Auf Nachfrage der Rems-​Zeitung hat gestern auch der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg reagiert. Pressesprecher und Justitiar Arnold Roßberg bat dringend um Beachtung des gesellschaftlichen Grundprinzips, wonach das Verhalten einzelner Personen nicht für das Bild einer ganzen Bevölkerungsgruppe stehen dürfe, sondern jeder einzelner Mensch für sich selbst verantwortlich sei.
Folgende Erklärung übermittelte Arnold Roßberg am Abend: „Wir kennen weder den Vorfall noch die beteiligten Personen und können auch nicht beurteilen, wie es zu den in Ihrem Artikel geschilderten Vorfällen mit der Verletzung der Polizistin und der Gefährdung weiterer Beamten gekommen ist. Die Angelegenheit ist sehr unschön und sollte auch nicht bagatellisiert werden.
Der Vorfall darf dennoch — wie es bereits auf rechtsextremistischen Internet-​Seiten massiv geschieht — nicht dazu benutzt werden, in rassistischer Weise über die gesamte Minderheit herzuziehen. Auch im Hinblick auf die Täter dieses Falles gilt: In unserem Rechtsstaat hat nur jeder einzelne sein Fehlverhalten zu verantworten, nicht seine Familie, seine Abstammung, Religionszugehörigkeit oder sonstige Gruppe, der er angehört. Dieser Verfassungsgrundsatz ist auch gegenüber den Sinti und Roma zu beachten und verbietet Verallgemeinerungen und Stigmatisierungen gegenüber der Minderheit. Sinti und Roma in Deutschland leben in den unterschiedlichsten Lebens– und beruflichen Situationen quer durch alle gesellschaftlichen Schichten.
Sie haben ein Recht darauf, vor rassistischen Pauschalverdächtigungen und –zuschreibungen geschützt und wie jeder andere Bürger rechtsstaatlich behandelt zu werden.“

Quelle: Rems Zeitung
Stand: 13.05.2014

Protest gegen NPD: Osnabrücker hängen Wahlplakat ab

Drei junge Männer haben in Osnabrück öffentlichkeitswirksam ein Plakat der rechtsextremen NPD abgehängt. Offiziell ist das möglicherweise eine Straftat. Die Aktion haben sie in einem Video auf Facebook gepostet. Dafür ernten sie viel Zuspruch.

Jeffrey Laubinger, Dany Franz und Jers Jimmy Dean Laubinger und ein weiterer Freund stehen am vergangenen Mittwochabend an der Atterstraße in Eversburg. Es ist heller Tag, sie sind unvermummt. Über ihnen hängt ein Plakat der NPD. Darauf zu lesen: „Geld für Oma statt für Sinti und Roma“. Nach einer kurzen Erklärung nehmen sie das Plakat ab und sagen, dass sie es jetzt dahin bringen, wo es hingehört: auf den Müll. Zuvor sagen sie noch, dass sie nicht dazu aufrufen, es ihnen gleichzutun.

Das Video posten sie auf Facebook. Jers Jimmy Dean Laubinger, Musiker und Tätowierer aus Osnabrück, erklärt: „Wir sind alle deutsche Sinti, und es war klar, dass wir das nicht so hängen lassen können.“ Eigentlich wäre es Aufgabe der Stadt, die Plakate abzuhängen, meint Laubinger. „Aber wenn die Stadt nichts für sich selbst tut, dann müssen wir eben etwas für die Stadt tun.“ Laubinger: „Wir haben eine große Familie und wollen nicht, dass die Kinder so ein Plakat sehen und nach Hause kommen und fragen, warum wir Sinti Omas das Geld wegnehmen.“ Er nennt noch einen weiteren Grund: „Unsere Großeltern waren zum Teil in Konzentrationslagern der Nazis und die denken, es geht wieder los, wenn sie solche Plakate sehen.“

„Nicht verstecken, weil ich rassistisches Plakat abhänge“

Es sei klar gewesen, dass sie nicht einfach heimlich ein paar Plakate abnehmen, berichtet Laubinger. „Es ist eine symbolische Aktion und für die Konsequenzen stehen wir gerade. Ich möchte mich nicht verstecken, weil ich ein rassistisches Plakat abhänge. Auch wenn es offiziell möglicherweise eine Straftat ist“, sagt Laubinger. Die Rückmeldungen bei Facebook seien bisher durch die Bank positiv. „Das Video ist bis Donnerstagmittag bereits über 1.000 Mal geteilt worden und das innerhalb von 16 Stunden.“

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert die Stadt auf, die Plakate abzuhängen. „Der Spruch ist extrem rassistisch und diskriminiert eine anerkannte Minderheit“, sagt Olaf Cramm vom DGB Osnabrück gegenüber unserer Redaktion. Er sieht die Kommune in der Pflicht. „Die Stadt muss sich politisch eindeutig positionieren, das ergibt sich aus der deutschen Geschichte und aus dem Titel Osnabrücks als Friedensstadt.“ Cramm räumt ein, dass es rechtlich wohl keine Handhabe gegen die Plakate gibt. „Dann muss sich die Stadt was einfallen lassen und die Plakate beispielsweise mit Verweis auf die Verkehrssicherheit abhängen lassen, weil sie zu hoch hängen.“ Cramm: „Und die Stadt sollte schnell handeln. Es ist unerträglich, dass diese Plakate hier seit Tagen hängen.“

Slogan kein Straftatbestand

Der Pressesprecher der Stadt, Sven Jürgensen, sieht keine Möglichkeit für die Stadt, gegen die Plakate vorzugehen. „Es gibt mehrere Gerichtsurteile, die in dem Slogan keinen Straftatbestand sehen. Das müssen wir als Stadt akzeptieren.“ Die NPD sei keine verbotene Partei. „Die Stadt ist im Wahlkampf zu strikter Neutralität verpflichtet und hat die Plakate inhaltlich nicht zu bewerten.“ Sich der Plakate mit Verweis auf eine eventuelle Verkehrsgefährdung zu entledigen, sei für die Stadt keine Option. „Das ist kein Weg, den man als Stadt gehen kann.“ Die Stadt Bad Hersfeld hatte die gleichen NPD-Plakate während der Bundestagswahl im vergangenen Jahr abhängen lassen, musste sie aber nach einem Gerichtsurteil wieder aufhängen. Das Verwaltungsgericht sah in dem Slogan keinen Straftatbestand erfüllt.

Unterstützung zugesagt

Bei der Polizei hat man noch keine Kenntnisse vom Verschwinden des NPD-Plakats, heißt es auf Anfrage unserer Zeitung. „Die NPD hat bisher keine Anzeige erstattet.“ Bei der Aktion handele es sich vermutlich um einen geringfügigen Diebstahl oder eine Sachbeschädigung. Allerdings unterliege die Polizei einem Strafverfolgungszwang und müssen auch von sich aus tätig werden, wenn eine Straftat vorliege.

Den drei jungen Männern, die das Plakat öffentlichkeitswirksam abgehängt haben, sagt Gewerkschafter Cramm seine Unterstützung zu, sollte die Aktion rechtliche Konsequenzen haben. „Die jungen Männer haben eindeutig Zivilcourage bewiesen, auch wenn wir natürlich nicht dazu aufrufen, es ihnen gleich zu tun.“

Quelle: Osnabrücker Zeitung
Stand: 15.05.2014

Roma in Thüringen

Freundlicherweise wurden wir auf folgende Projekte und Links aufmerksam gemacht, welche die Lage von Roma in Thüringen dokumentieren.
Vielen Dank dafür an dieser Stelle.

Roma Thüringen: https://www.facebook.com/roma.thuringen

Situationsbericht Roma in Thüringen: http://www.freie-radios.net/62443

Abschiebung ohne Vorwarnung mit Protest in Erfurt: http://frai.blogsport.de/

Kämpferische Demonstation in Thüringen:

Ermittlungen zum NSU-Mord: Zentralrat Deutscher Sinti und Roma fordert Entschuldigung wegen diskriminierender Aussagen

Am Rande des NSU-Prozesses in München hat Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, eine Entschuldigung von der Regierung in Baden-Württemberg gefordert.

Angesichts diskriminierender Aussagen bei den Ermittlungen zur Terrorzelle NSU fordert der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma eine Entschuldigung von der Regierung in Baden-Württemberg. „Unsere Minderheit ist unter einen Generalverdacht gestellt worden“, sagte der Vorsitzende des Zentralrats, Romani Rose, am Mittwoch in München am Rande des NSU-Prozesses am Oberlandesgericht. In Akten der Polizei zum NSU-Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter im April 2007 in Heilbronn werden Roma als „Zigeuner“ bezeichnet.

Über einen in Serbien vernommenen Roma-Mann heißt es, die Lüge sei „ein wesentlicher Bestandteil seiner Sozialisation“. Der Zeuge hatte mit dem Mord nichts zu tun.
Die Tat hatten die Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt verübt. Das kam allerdings erst nach dem Ende der Terrorzelle im November 2011 heraus. Mundlos und Böhnhardt hatten der in einem parkenden Streifenwagen sitzenden Kiesewetter und ihrem Kollegen Martin A. in den Kopf geschossen. Kiesewetter starb noch am Tatort, Martin A. überlebte den Angriff. Er hat im Januar im NSU-Prozess ausgesagt. Martin A. kann sich allerdings kaum noch an die Tat erinnern.
Die Polizei hatte bei der Suche nach den Mördern an Michèle Kiesewetter auch Roma als mögliche Tatverdächtige in den Blick genommen. Am Tatort, der Theresienwiese nahe dem Bahnhof Heilbronn, hatten sich während des Verbrechens mehrere Schausteller aufgehalten, darunter einige Roma.
Im Juli 2009 reisten drei Kriminalbeamte nach Serbien und befragten einen Roma-Mann. Nach dem Verhör, bei dem ein Lügendetektor eingesetzt wurde, sagten einheimische Psychologen, sie seien sicher, der Mann wisse entgegen seiner Behauptungen über die Tat Bescheid. So steht es in den Akten des Landeskriminalamts Baden-Württemberg. Die Psychologen hätten betont, bei dem Mann handele es sich „um einen typischen Vertreter seiner Ethnie“. Das heiße, die Lüge sei ein wesentlicher Bestandteil seiner Sozialisation. Der Mann sei „offensichtlich seit seiner frühesten Kindheit in einer Welt von Lügen
und Betrug aufgewachsen“. Die rassistischen Äußerungen über den Zeugen und die Roma generell übernahm das Landeskriminalamt ohne eine distanzierende Erklärung in die Ermittlungsakten.
Darin befinden sich nach Angaben der Nebenklage-Anwältin Angelika Lex noch weitere Hinweise auf „institutionellen Rassismus“. So werde eine „Zigeunerin“ erwähnt, die sich zur Tatzeit in Haft befunden habe. Trotzdem habe die Polizei bei ihr einen DNA-Test vorgenommen, sagte Lex. Die Anwältin vertritt die Witwe des im Juni 2005 von Mundlos und Böhnhardt in München erschossenen Griechen Theodoros Boulgarides.

Aus Sicht von Romani Rose ist es unerlässlich, dass sich auch in Baden-Württemberg ein Untersuchungsausschuss des Landtages mit dem NSU-Komplex und Fehlern der Ermittlungsbehörden auseinandersetzt. Rose verwies zudem auf die Affäre um zwei Kollegen von Michèle Kiesewetter, die dem rassistischen Geheimbund Ku-Klux-Klan angehört hatten. Und der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma betonte, gerade in Deutschland mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit gebe es eine besondere Verantwortung zur Aufklärung der skandalösen NSU-Geschichte. Das NS-Regime hatte mehrere 100 000 Sinti und Roma, mutmaßlich eine halbe Million, ermordet.

Quelle: Der Tagesspiegel
Stand: 16.04.2014