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Romani Rose: „Vorurteile gegen Sinti und Roma sitzen tief“

Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, kämpft für die Rechte der größten europäischen Minderheit. Im DW-Interview zum internationalen Tag der Roma sagt er, was sich dringend ändern sollte.

DW: In Deutschland sind Sinti und Roma als nationale Minderheit anerkannt. In Europa wird über Strategien zur Integration der Roma debattiert. Wie zufrieden sind Sie mit der Situation der Minderheit in Deutschland und Europa?

Romani Rose: In einigen Bereichen hat sich etwas verbessert, aber womit wir gar nicht zufrieden sind, ist die Lebenssituation der Roma-Minderheit in Osteuropa. Da gibt es Situationen, die katastrophal sind. Sie sind mit den Werten, die wir uns in Europa nach dem Krieg aufgebaut haben, nicht im Einklang, sie sind menschenunwürdig.

Was sind das für Verhältnisse und welche Länder machen Ihnen besonders Sorgen?

Das sind besonders Bulgarien, Rumänien, aber auch Tschechien und die Slowakei. Dort gibt es informelle Ghettos, die ohne Kanalisation sind, ohne Strom und Wasser. Es gibt Ortschaften, in denen über tausend Menschen leben, die vollkommen ohne Perspektive sind. Diese Situation ist seit vielen Jahren bekannt. Das ist nicht mehr hinnehmbar. Es gibt eine Kindersterblichkeit, die viermal höher ist und die Lebenserwartung ist zehn Jahre geringer im Vergleich zur Mehrheitsbevölkerung.

Was muss passieren?

Bisher ist Hilfe meist daran gescheitert, dass EU-Mittel von den Nationalstaaten gegenfinanziert werden müssen. Deswegen hat der Zentralrat gerade beim „Roma Summit“ der EU in Brüssel gefordert, einen „Roma-Housing-Funds“ zu schaffen. Dort könnten zivilgesellschaftliche Organisationen direkt Gelder abrufen. Es geht nicht nur darum, etwas für Roma zu tun, auch die übrige Bevölkerung sollte man einbeziehen.

Wie steht es um den politischen Willen? Bei den Wahlen in Ungarn z.B. konnte die rechtsextreme Partei Jobbik punkten, die gegen die Minderheit hetzt…

Der Wahlerfolg ist ein Alarmzeichen für Europa. Das Erstarken der extremen Rechten in Europa gefährdet mit ihrem Rassismus besonders die Angehörigen der Roma-Minderheit. Auf der Konferenz in Brüssel haben wir viel über Bemühungen für die Minderheit gehört. Ich war kürzlich in Ungarn und habe mit Ministerpräsident Orban gesprochen. Ich glaube, dass man dabei ist, im Bereich der Bildung und beim Wohnen die Situation zu verbessern. Aber das reicht alles nicht, weil die Situation in diesen Ländern sehr prekär ist.

In Deutschland spricht man meist über Roma, wenn Menschen aus so prekären Verhältnissen zuwandern. Sie nennen die deutsche Debatte über die Zuwanderung aus Südosteuropa „beschämend“, warum?

Sie ist beschämend, weil sie allein auf dem Rücken unserer Minderheit geführt worden ist. Natürlich gibt es eine extreme Armut, das betrifft auch einen Teil der Minderheit, aber wir haben in Europa eine allgemeine Armut von 24 Prozent. Aus Bulgarien, einem Land mit 8,5 Millionen Menschen, haben seit der Wende 3,5 Millionen ihre Heimat verlassen, überwiegend nach Spanien, Italien, Portugal, aber auch nach Deutschland. Darunter sind auch Roma. Das sind Menschen, die jetzt hier arbeiten. Ich sehe das hier in Heidelberg z.B. in der Universitätsklinik, wo sehr viele Angehörige der Minderheit in der Pflege arbeiten, andere auf dem Bau oder in der Landwirtschaft. Das ist eine aufgeblähte Debatte, die mehr geschadet hat, als dass sie der tatsächlichen Situation gerecht geworden ist.

Für wie gefährlich halten sie eine solche Debatte im Europawahlkampf?

Wir kritisieren, dass es oft eine populistische Debatte ist, die auch von demokratischen Politikern geführt wird, anstatt sich mit der Hetze durch rechtsextreme Parteien auseinanderzusetzen. Wohin solche Hetze führt, das haben wir gesehen an den Morden durch den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU). Es muss eine verstärkte demokratische Verantwortung geben gerade gegenüber Minderheiten.

Sie haben Vorurteile gegen die Minderheit immer wieder angeprangert, auch bei staatlichen Stellen wie der Polizei. Wie verbreitet sind diese Vorurteile?

Diese Vorurteile gegen Sinti und Roma sitzen sehr tief. Kritik ist natürlich zulässig, aber Kritik verbunden mit der Zugehörigkeit zu einer Minderheit und das auf die gesamte Minderheit zu übertragen, da beginnt der Rassismus. Ich glaube, da gibt es auch in der deutschen Bürokratie viel zu wenig Bewusstsein. Wir werfen immer wieder gerade den Polizeibehörden vor, dass sie eine Art Sondererfassung unserer Minderheit betreiben, die seit 600 bis 700 Jahren in Deutschland lebt. Mir wurde von den Innenministern der Länder versichert, dass dies nicht mehr der Fall ist.

Kürzlich mussten wir feststellen, dass es in Berlin bei der Aktenerfassung der Polizeibehörden eine Rubrik „Landfahrer“ gibt, ein Begriff, unter dem Mitglieder der Minderheit schon früher erfasst wurden, unabhängig davon, wie sie lebten. Jetzt hat man uns mitgeteilt, die Löschung des Begriffs sei veranlasst. Die Bundesrepublik ist ein Rechtsstaat, wo sich nur der Einzelne für sein Fehlverhalten zu verantworten hat. Eine ethnische Kennzeichnung verstößt gegen internationale Abkommen. Im Nationalsozialismus mussten Sinti und Roma mit einer Armbinde herumlaufen, auf der ein „Z“ für „Zigeuner“ stand. Dieses Trauma steckt in einer Minderheit, die 1933 von heute auf morgen ausgebürgert, deportiert und ermordet wurde.

In Berlin erinnert seit 2012 ein Mahnmal an die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma. Der Auschwitz-Überlebende Zoni Weisz sagte bei der Einweihung, „fast nichts hat die Gesellschaft daraus gelernt“. Können Sie dieses bittere Resümee nachvollziehen?

Man darf nicht übersehen, dass es auch positive Entwicklungen gegeben hat. In Schleswig-Holstein wurde die Minderheit in die Landesverfassung aufgenommen, Sinti und Roma wurde Schutz und Förderung garantiert. In einem Staatsvertrag der Landesregierung von Baden-Württemberg mit unserem Landesverband steht die besondere Verantwortung nach dem Holocaust. Das Denkmal in Berlin direkt am Brandenburger Tor zeigt ein Bewusstsein für den Völkermord an den 500.000 Sinti und Roma im besetzten Europa.

Doch Vorurteile bleiben. Der Antisemitismus wird von vielen geächtet, weil man weiß, dass diese Form des Rassismus eine sehr lange Tradition hat und wohin das geführt hat. Die Feindlichkeit gegenüber unserer Minderheit, der Antiziganismus, hat bis heute eine weite Verbreitung.

2013 hat mit Romeo Franz erstmals erkennbar ein Sinto für den Bundestag kandidiert, jetzt bewirbt er sich für das Europaparlament. Wie wichtig ist ein solches Outing aus der Minderheit?

Das ist natürlich sehr wichtig. Es gibt sichtbare Angehörige der Minderheit, die stigmatisiert werden, weil man immer nur negativ berichtet, und es gibt die unsichtbaren Anderen. Sie sind in der Gesellschaft integriert, wollen aber ihre Existenz nicht gefährden. 64 Prozent der deutschen Bevölkerung lehnen Sinti und Roma als Nachbarn ab. Aber genau diese 64 Prozent wissen gar nicht, dass sie längst Arbeitskollegen, Nachbarn und Mieter haben, sie wissen nicht, dass sie in Geschäften bei Leuten einkaufen, die Angehörige der Minderheit sind. Auch im Showgeschäft oder im Fußball, überall gibt es Angehörige der Minderheit.

Das Interview führte Andrea Grunau.

Romani Rose ist seit 1982 Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma mit 16 Landesverbänden und regionalen Vereinen. 13 Mitglieder seiner Familie wurden während des Nationalsozialismus in Konzentrationslagern ermordet.

Quelle: Deutsche Welle
Stand: 08.04.2014

Sprechen und Berichten über Sinti und Roma: Die Klischees sind schlicht falsch

„Antiziganismus ist ein Problem der Mehrheitsgesellschaft – nicht der Sinti und Roma.“ Nur müssen die ja trotzdem mit den zumeist abwertenden Klischees, Vorurteilen und Zuschreibungen leben, die bis heute in Politik, Medien und entsprechend auch am Stammtisch verwendet werden. Deshalb sollten gerade die politischen Eliten und Meinungsbildner*innen darauf achten, Diskriminierung entgegen zu treten, statt sie zu zementieren, fanden die eingeladenen Expert*innen. Denn die meisten Bilder von Sinti und Roma, die durch Köpfe und Medien geistern, stimmen schlicht nicht.

Wer sind „Sinti und Roma“?

Sinti und Roma sollen die Nachfahren von Menschen sein, die vor über 1.000 Jahren aus dem indischen Subkontinent nach Westen aufgebrochen sind. Heute sind die Kriterien, nach denen jemand als Rom identifiziert wird, schwammig: Denn viele, aber nicht alle als Roma angesehene Menschen sprechen die gemeinsame Sprache Romanes. Die offizielle Definition der EU spricht von „ähnlichen kulturellen Besonderheiten“.

„Roma“ ist der Begriff, auf den sich der „Weltkongress“ der Roma-Nationalbewegung 1971 in London einigte, und der international verwendet wird. Als „deutsche Roma“ werden diejenigen bezeichnet, die ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Deutschland kamen. „Sinti“ dagegen sind die Nachfahren von Gruppen, die bereits seit dem 15. Jahrhundert nach Deutschland eingewandert sind. Dieser Begriff wird nur in Deutschland, Österreich und Teilen Norditaliens verwendet. Neuzuwanderer*innen aus Rumänien oder Bulgarien sind also keine „Sinti und Roma“, sondern nur Roma. Continue reading Sprechen und Berichten über Sinti und Roma: Die Klischees sind schlicht falsch

Abschiebung bei „Nacht und Nebel“ und viele Grauzonen

Die Abschiebung eines jungen Paares aus dem Konstanzer Flüchtlingslager Steinstraße Anfang Februar wirft viele Fragen auf: Wo sind ihre Pässe geblieben? Warum wurde ihr Antrag auf Asyl nicht berücksichtigt? Was passierte mit ihrer persönlichen Habe und ihren Arbeitsentgelten? Muss der Abgeschobene in Mazedonien wegen „Verunglimpfung des mazedonischen Staates im Ausland“ ins Gefängnis, nur weil er in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat? Der Versuch einer Spurensuche um die Umstände einer Abschiebung in ein angeblich „sicheres Herkunftsland“.

Die Szene spielte sich bereits in der Nacht zum Montag, 3. Februar 2014 im Konstanzer Sammellager in der Steinstraße 20 ab. Gegen 3 Uhr fuhren mehrere Streifenwagen der Polizei vor. Einige Beamte sicherten sämtliche Ausgänge des Hauses, andere betraten das Haus durch die unverschlossene Eingangstüre. Ziel der Beamten war das Zimmer eines jungen Paares im 3. Stock. Roma aus Mazedonien. „Wir haben geschlafen, die Tür war verschlossen“, so der zur Abschiebung bestimme 25jährige, „die Polizei kam mit einem Schlüssel ins Zimmer“. Er und seine Frau seien schockiert gewesen, gibt er am Telefon eines Verwandten in Mazedonien Auskunft auf meine Fragen.
Ihr Asylverfahren sei nicht entschieden, mit einer Abschiebung haben sie nicht gerechnet. „Wir waren ahnungslos und hatten große Angst“ als Polizisten mitten in der Nacht vor ihrem Bett standen, um sie abzuholen. Zehn Minuten gaben die Beamten den Beiden um ihre Habe zu packen und fertig für den Abtransport zu sein. Die anderen Flüchtlinge im Lager liefen auf die Gänge oder verrammelten aus Angst die Türen ihrer Zimmer.
Artikel 13 des deutschen Grundgesetzes garantiert die „Unverletzlichkeit der Wohnung“. Eines von zahlreichen Grundrechten, welches Flüchtlinge nicht gewährt wird. Dennoch war das Verfahren, wie sich die Konstanzer Polizei Zutritt zum privaten Wohnbereich der Flüchtlinge verschafft, in den letzten Wochen Gegenstand öffentlicher Diskussionen. Offensichtich sind die Beamten im Besitz von Schlüsseln zu den privaten Wohnbereichen der Flüchtlinge. Offiziell bestätigen will dies jedoch niemand. Der Pressesprecher des Konstanzer Polizeipräsidiums Fritz Bezikofer hat darüber, wie sich die Kollegen Zutritt zu den privaten Räumen verschaffen „keine Kenntnis“, wie er auf telefonische Anfrage Auskunft gibt. Manfred Roth, Pressesprecher des Landratsamtes Konstanz, „kann sich zu dieser Frage aus behördeninternen Gründen nicht äußern“. Solche Formulierungen sind nicht dazu geeignet das Verfahren transparent zu machen und lassen Raum für Spekulationen. Letztlich führt dies unter den Flüchtlingen zu Verunsicherung. Viele der traumatisierten Flüchtlinge lebten seit dieser Nacht in Angst, so Susanne Scheiter vom Konstanzer Bündnis Abschiebestopp.
Das Landratsamt Konstanz ist eigentlich für das Wohl der Flüchtlinge, ihre Unterbringung und Versorgung im Kreis zuständig. Seit 1999 hat es auch die Sozialbetreuung der Flüchtlinge übernommen, die zuvor behördenunabhängig durch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) organisiert wurde. Handlangertätigkeiten für die Abschiebebehörden verbieten sich da von selbst. Sollte es zutreffen, dass sich das Landratsamt aktiv oder durch Überlassen der Schlüssel zu den privaten Bereichen an den Abschiebungen beteiligt, ist dies ein eklatanter Vertrauensbruch zu den dort betreuten Flüchtlingen.
Streitpunkt: Bei der Abschiebung des Paares soll eine leitende Mitarbeiterin des Lagers nachts vor Ort gewesen sein und den Polizeibeamten Schlüssel übergeben haben. Landrat Frank Hämmerle bestreitet dies vehement. Mehrere Flüchtlinge im Lager bestehen nach wie vor darauf, die Mitarbeiterin in der Nacht gesehen zu haben. Hier steht Aussage gegen Aussage.
Das jungen Paar, so berichtet der Abgeschobene, sei noch in der Nacht von Konstanz „in einen kleinen Ort bei Stuttgart“ gebracht worden. Von dort aus wurden sie mit anderen Flüchtlingen über den Flughafen Stuttgart in die serbische Hauptstadt Belgrad abgeschoben. Die deutschen Beamten hätten ihnen weder Dokumente über die Abschiebung noch ihre Pässe ausgehändigt, die sie im Asylverfahren in Deutschland abgeben mussten. Continue reading Abschiebung bei „Nacht und Nebel“ und viele Grauzonen

Merseburg: Unbekannte schänden Mahnmal

Unbekannte haben das Mahnmal für die in der Nazizeit ermordeten Sinti und Roma in Merseburg mit Fäkalien beschmiert. Die Polizeidirektion Süd in Halle teilte mit, dass sich der Vorfall in der Nacht zu Mittwoch ereignet habe. Eine Videokamera habe die Tat gefilmt. Wie ein Polizeisprecher MDR SACHSEN-ANHALT sagte, gehen die Ermitler von zwei männlichen Tätern aus. Einer habe eine Kapuze aufgehabt, der andere sei auf dem Kopf kahlgeschoren gewesen. Der Staatsschutz habe die Ermittlungen übernommen und prüfe das Videomaterial.

Denkmal wurde schon mehrfach geschändet

Das Mahnmal war 2009 eingeweiht worden und wurde seitdem immer wieder Ziel von rechtsradikalen und fremdenfeindlichen Attacken. 2011 hatten maskierte Männer Hakenkreuze auf die Stele gesprüht. Der Staatsschutz hatte gegen die mutmaßlich Rechtsradikalen ermittelt. Wenige Wochen später spuckte ein Mann auf das Denkmal. Es erinnert an die Sinti und Roma, die zwischen 1933 und 1945 von den Nationalsozialisten ermordet wurden

Nach den Anschlägen hatten sich Kommunalpolitiker bestürzt gezeigt. Vereine, die sich mit der jüngsten deutschen Vergangenheit beschäftigen, hatten eine schnelle Aufklärung angemahnt. Doch eine Reaktion der breiten Öffentlichkeit fehlte damals in Merseburg.

Ein Magdeburger Rechtsextremismus-Forscher hatte gewarnt: „Die Täter können solche Gleichgültigkeit als Duldung für sich interpretieren.“ Er forderte: „Die Politik muss den Bürgern das Gefühl geben, dass es auf sie ankommt.“

Vorfälle in Merseburg häufen sich

Vermutlich handelt es sich bei dem jüngsten Vorfall wieder um eine rechtsextreme Tat. In den vergangenen Wochen hat es mehrere ausländerfeindliche Vorfälle in der Stadt gegeben. Ein 23 Jahre alter Somalier war von zwei jungen Männern verprügelt und am Kopf verletzt worden. Kurz danach wurde ein Algerier in einer Bahnhofsunterführung bestohlen. Außerdem war ein Mann aus Burkina Faso beim Aussteigen aus dem Zug von einem Mitreisenden beschimpft worden. Am Wochenende haben deshalb rund 600 Menschen in Merseburg gegen Fremdenhass demonstriert.

Quelle: mdr.de
Stand: 05.03.2014

Unbekannte schänden Gedenkstätte für Sinti und Roma in Merseburg

Unbekannte haben das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma in Merseburg mit Fäkalien geschändet. Der mutmaßlich rechtsextreme Vorfall wurde in der Nacht zu Mittwoch von einer Videokamera aufgezeichnet, wie eine Polizeisprecherin in Halle mitteilte. Die Kamera ist dort wegen früherer Schändungen fest installiert. Der Aufzeichnung zufolge handelt es sich um zwei Täter. Der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz wurde eingeschaltet. Das Denkmal erinnert an die Sinti und Roma, die zwischen 1933 und 1945 von den Nationalsozialisten ermordet wurden.

In den vergangenen Wochen waren in Merseburg viermal Ausländer angegriffen worden. Ein Tatverdächtiger kam in Untersuchungshaft, mehrere bekannte Rechtsextreme wurden ermittelt. Am Samstag waren in Merseburg rund 600 Menschen gegen Rassismus auf die Straße gegangen. Eine Willkommenskultur sei in Merseburg noch lange nicht verbreitet, hatte ein Sprecher eines Bündnisses aus Parteien und Organisationen kritisiert.

Quelle: Frankfurter Rundschau
Stand: 07.03.2014

Gedenken an ermordete Sinti und Roma: Ede-und-Unku-Weg in Magdeburg eingeweiht

Ein Abschnitt des Holzweges am Einkaufszentrum Flora-Park ist am Sonnabend offiziell in Ede-und-Unku-Weg umbenannt worden. Mit dem neuen Straßennamen erinnert die Landeshauptstadt stellvertretend an die vom NS-Regime ab 1935 im Sammellager Silberberg am Holzweg internierten Sinti und Roma. Die Figuren Ede und Unku stammen aus dem gleichnamigen Kinderbuch, in dem die Schriftstellerin Alex Wedding die authentischen Erlebnisse der Sintezza Erna Lauenburger (Unku) aus Magdeburg und ihres Freundes Ede beschrieb. Lauenburger starb 1943 im Konzentrationslager Auschwitz.

Oberbürgermeister Lutz Trümper und die Stadtratsvorsitzende Beate Wübbenhorst (beide SPD) enthüllten am Vormittag das Straßenschild und eine Hinweistafel. Diese wurde von den Fraktionen des Magdeburger Stadtrates gestiftet.

Zuvor hatten etwa 40 Magdeburger an der Gedenkstele am Flora-Park der in Auschwitz ermordeten Sinti und Roma aus dem früheren Sammellager Holzweg/Silberberg gedacht sowie Blumen und Kränze niedergelegt. Landtags-Vize-Präsidentin Helga Paschke (Die Linke) und OB Lutz Trümper hielten Ansprachen.

Am 1. März 1943 waren 470 Menschen aus dem Lager am Holzweg/Silberberg nach Auschwitz deportiert worden. 340 von ihnen kamen uns Leben. Ihrer gedenken jährlich der Verband der Magdeburger Stadtführer und das Bündnis gegen Rechts Magdeburg. Die Namen der Opfer sind an der Gedenkstele zu lesen.

Quelle: Volksstimme.de
Stand: 01.03.2014

Massenabschiebungen von Roma geplant

Große Koalition will das Asylverfahrensgesetz ändern / Kritik von Pro Asyl und Linkspartei
Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina sollen zu »sicheren Herkunftsländern« erklärt werden. Dabei werden Roma dort im Alltag vielfach diskriminiert.

Die Bundesregierung plant Massenabschiebungen von Asyl suchenden Roma aus den Balkanstaaten. Das geht aus einem Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums vor, der »nd« vorliegt.

Demnach sollen Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina »als sichere Herkunftsstaaten (…) eingestuft« werden, um »Asylverfahren (…) schneller bearbeiten und – im Anschluss an eine negative Entscheidung über den Asylantrag – den Aufenthalt in Deutschland schneller beenden zu können. Deutschland wird dadurch als Zielland für aus asylfremden Motiven gestellte Asylanträge weniger attraktiv«, heißt es im Entwurf. Man sei zu dem Ergebnis gelangt, »dass in den genannten Staaten (…) weder politische Verfolgung noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts stattfindet«.

Die LINKE-Innenpolitikerin Ulla Jelpke kritisiert dies scharf und fordert die Länder auf, »diesem Vorhaben im Bundesrat die Zustimmung zu verweigern«. Es gehe dabei »zu 90 Prozent um Roma, die vor systematischer Diskriminierung und existenzgefährdender Ausgrenzung und Armut« fliehen. In den betreffenden Staaten seien Roma »vielfachen Formen der Diskriminierung ausgesetzt, die zusammengenommen durchaus Flüchtlingsschutz begründen können«, doch werde derselbe »auf dem Altar einer populistischen Debatte geopfert«, so Jelpke.

Ein derartiges Gesetz ist Teil des Koalitionsvertrages. Nun solle es per Eilverfahren durchgesetzt werden, klagt Bernd Mesovic von »Pro Asyl«. Die Verbände hätten gerade mal eine Woche Zeit, sich zu dem Vorhaben zu äußern. Den zehnseitigen Entwurf findet er »ausgesprochen dünn«.

Laut Mesovic soll das Gesetz ohnehin nur »eine Praxis festschreiben, die de facto schon vorherrscht«. Bereits seit 2012 würden Asylanträge aus diesen Staaten vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf Anweisung des Bundesinnenministeriums mit Vorrang bearbeitet. Eine ernsthafte Prüfung der Fluchtgründe gebe es nicht, die Ablehnung stehe in schon vor dem Verfahren fest. »Das Bundesamt verhält sich jetzt schon so, als sei dieses Gesetz in Kraft«, sagt Mesovic. Dass nun in der Gesetzesbegründung die vom Ministerium bestellte Ablehnungsquote von nahezu 100 Prozent als Argument dafür herhalten müsse, diese Länder generell als sicher einzustufen, findet der Experte »tautologisch«.

Laut Bundesinnenministerium ist die Zahl der Asylanträge aus den betreffenden Staaten seit der Aufhebung der Visapflicht in den Jahren 2009 und 2010 rapide gestiegen. Im Januar 2014 sei mehr als ein Viertel der insgesamt rund 14 500 in Deutschland gestellten Asylanträge auf diese Staaten entfallen.

Quelle: neues Deutschland
Stand: 28.02.2014

Armutszuwanderung: Warum wir die Roma nicht verstehen

Niemand kommt nach Deutschland, um sich dort in eine ominöse soziale Hängematte zu legen. Niemand, auch nicht rumänische Roma, kann Neukölln, Dortmund-Nord oder Duisburg-Marxloh mit dem Schlaraffenland verwechseln. Die Motive für die Zuwanderung sind ganz andere.

Ja, wir wollen Zuwanderung. Nein, wir haben nichts gegen Ausländer und auch nichts gegen Roma, die schließlich Opfer eines Völkermords waren und mancherorts bis heute verfolgt werden. Wir brauchen Fachkräfte, und deren Herkunft oder Abstammung ist uns egal. Was wir dagegen nicht wollen, ist eine Einwanderung in unsere Sozialsysteme. Es ist ein breiter Konsens, der sich da nach einer Reihe von Provokationen aus der CSU herausgebildet hat, und gegenüber dem, was die Wutbürger wollen, ist es ein Fortschritt. Bloß: „Einwanderung in die Sozialsysteme“ ist schon an und für sich ein tendenziöses Schema, das die wirklichen Verhältnisse schlecht beschreibt. Niemand kommt nach Deutschland, um sich dort in eine ominöse soziale Hängematte zu legen. Niemand, auch nicht rumänische Roma, kann Neukölln, Dortmund-Nord oder Duisburg-Marxloh mit dem Schlaraffenland verwechseln, das die Armutszuwanderer angeblich so anzieht. Die Motive für die Zuwanderung sind ganz andere. Hätte jemand nur ein bisschen genauer hingesehen, so hätte die Debatte wohl einen anderen Verlauf genommen. Die erste größere Gruppe derer, von denen nun schon seit der Vorweihnachtszeit ständig die Rede ist, wurde in Dortmunds Norden gesichtet. Anfangs waren es Frauen aus Stolipinowo, einem Elendsviertel im bulgarischen Plowdiw, die sich prostituierten. In Stolipinowo wird vorwiegend Türkisch gesprochen, in Dortmund-Nord auch – das traf sich gut. Später holten die Frauen ihre Familien nach; die Männer gingen auf den Arbeiterstrich oder begannen, Metall zu sammeln. Dass sie immerhin Anspruch auf Kindergeld hatten, wussten die Zuwanderer aus Bulgarien gar nicht. Folglich bekamen sie auch keines. Erst allmählich hat sich herumgesprochen, dass es Ansprüche auf Sozialleistungen gibt. Seither nehmen sie sie. Wer in einem südosteuropäischen Elendsviertel lebt und dort vielleicht schon groß geworden ist, verhält sich am besten so, wie Slumbewohner das auf der ganzen Welt aus guten Gründen tun: Er setzt sich seine Existenz wie aus einem Flickenteppich zusammen. Man verrichtet Gelegenheitsjobs, sammelt Eisen oder Flaschen, treibt ein wenig Handel, beantragt Transferleistungen, wenn es so etwas gibt. Reicht das nicht aus, kommen vielleicht auch Betteln, Prostitution und kleine Diebereien hinzu. Continue reading Armutszuwanderung: Warum wir die Roma nicht verstehen

Zentralrat der Sinti und Roma erstattet Anzeige gegen Polizei

Baden-württembergische Polizeimitarbeiter sollen rassistische Kommentare in NSU-Akten geschrieben haben. Darunter sind Begriffe wie „Neger“ und „Zigeuner“.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose, hat wegen diskriminierender Aktenvermerke baden-württembergische Polizeimitarbeiter angezeigt. In einem Schreiben an Landesinnenminister Reinhold Gall (SPD) verlangte Rose, dass die Verfasser der Vermerke wegen Verleumdung und Beleidigung zur Verantwortung gezogen werden müssten. Bei den Aktenvermerken handele es sich um „schlimmen Rassismus, der dem Jargon der Nationalsozialisten“ ähnele, sagte Rose. In den Akten aus Baden-Württemberg, in denen es um den Fall der ermordeten Polizisten Michèle Kiesewetter geht, sei von einem „Neger“ die Rede, und Roma würden als „Zigeuner“ bezeichnet, die „typischerweise lügen“, schrieb der Tagesspiegel. Zudem gehe aus einem amtlichen Vermerk hervor, dass Psychologen über einen Lügendetektortest bei einem Roma geschrieben hätten, der Mann sei ein „typischer Vertreter seiner Ethnie“, was bedeute, dass „die Lüge ein wesentlicher Bestandteil seiner Sozialisation“ sei. Rose bat Minister Gall auch darum, sich von den Aktenvermerken zu distanzieren: „Es muss umgehend klargestellt werden, dass die Träger der politischen Verantwortung für die Polizei in Baden-Württemberg derartiges Gedankengut ächten, das sich scheinbar wie ein roter Faden durch das Kiesewetter-Verfahren zieht.“

Kollege schildert Erinnerung an Kiesewetter-Mord

Die Akten werden derzeit im NSU-Prozess in München genutzt. Dort sagte ein Kriminalermittler aus, der mit Kiesewetters Kollegen Martin A. ein Jahr nach dem Mord den Tatort besuchte. A. war bei dem Angriff schwer verletzt worden. Als A. den Tatort verließ, sei er aufgewühlt gewesen, sagte der Zeuge: „Er sagte, er könne sich wieder erinnern, dass Michèle rückwärts eingeparkt hat. Und dass er im Rückspiegel eine Person gesehen habe, die sich von hinten nähert.“ Ein Neurologe hatte zuvor gesagt, dass nach seiner Einschätzung Erinnerungen an die Zeit unmittelbar vor der Tat nicht vorhanden sein dürften.

Quelle: Zeit Online
Stand: 04.02.2014

Die moderne Legende von den Kinderdieben

Wenn man sich in Deutschland auf eines verlassen kann, dann auf alte Ressentiments. Vor allem wenn es rassistische Ressentiments sind. Die funktionieren bis heute tadellos…

Eines dieser alten Ressentiments lautet: Zigeuner und Juden klauen Kinder. Die einen, um sie zu verkaufen, die anderen, um sie zu schlachten und zu Mazzen zu verbacken. Das diese Ressentiments noch immer da sind, konnte man letzten Herbst gut beobachten. Da tauchte plötzlich in den Zeitungen ein kleines hellblondes Mädchen auf. Maria. Aus Farsala. Arisch as arisch can. Und dieses arme Wesen wurde bei einer Roma-Familie gefunden. Der Fall schien klar.

Das Mädchen musste geklaut worden sein.
Ganz eindeutig.
War es dann aber nicht.

So wenig gestohlen wie die blonden Kinder der Roma aus Irland, Serbien und Italien, die in den Wochen danach ebenfalls als geklaute Kinder durch die Medien gezerrt wurden. Im Fall Maria kann man sagen: Die Polizei hat das Kind gestohlen. Und zwar den Eltern, denen es anvertraut wurde. In allen anderen Fällen muss man feststellen: Kein Kind war geklaut. Es waren alles eigene leibliche Roma-Kinder. Eigentlich sollte man doch meinen, so kurz nach diesem letzten Skandal, sei die Öffentlichkeit etwas sensibilisiert. Aber offenbar blieb von diesem Ereignis nur das hängen, was alle ohnehin schon immer wußten: Zigeuner klauen Kinder.

Und wie sehr und wie unreflektiert derlei noch heute übernommen wird, sieht man an einem Facebook-Posting, das in verschiedenen Varianten seit drei Jahren kursiert, aber in der neusten Variante seit nunmehr einer Woche mittlerweile fast zehntausendmal von den Nutzern geteilt wurde. Darin wird eine Kindsentführung behauptet – diesmal nicht im Centro Oberhausen oder Ikea Frankfurt, sondern im H&M Steglitz:

Hoax angebliche Entführung von Kindern durch Roma

Das es sich hierbei um einen Hoax handelt, ist eigentlich leicht zu erkennen und wäre auch für Max und Monika Mustermann mit minimalem Aufwand zu recherchieren. Max und Monika sind aber kein bißchen mißtrauisch bei dieser Meldung. Und die große Resonanz zeigt deutlich, dass die Leute das Ganze für wahr halten. Und damit sind wir wieder beim Ausgangspunkt der Geschichte: Wenn man sich in Deutschland auf eines verlassen kann, dann auf alte Ressentiments. Vor allem wenn es rassistische Ressentiments sind…

Quelle: Hagalil.com
Stand: 28.01.2014