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Rassistischer Angriff: Raubüberfall auf Roma-Familie

Im Landkreis Hildesheim wurde eine Roma-Familie überfallen. Ein rassistischer Hintergrund liegt nahe. Den hat die Polizei bislang nicht gesehen.

Alles ging ganz schnell. In Söhre im Landkreis Hildesheim überfielen acht junge Männer eine siebenköpfige Roma-Familie in ihrer Wohnung, schlugen zu und drohten mit einer Pistole. Der Überfall hatte offenbar einen rassistischen Hintergrund, sagt Sigmar Wahlbrecht vom Flüchtlingsrat Niedersachsen. „Das waren Nazis“ habe der Vater ihm berichtet, sagte Wahlbrecht.

In der Nacht zu Sonnabend, dem 4. Januar, sollen die Täter im Alter von 25 bis 30 Jahren in die Wohnung eingedrungen sein. Die Männer hätten mit Nachdruck gegen 1.30 Uhr an die Wohnungstür im Erdgeschoss geklopft, berichtete der Vater. Als der 32-Jährige die Tür öffnete, schlug ihm einer der Täter mit der Faust ins Gesicht und hielt ihm eine Pistole an den Kopf. Eingeschüchtert übergab der Vater das verlangte Geld – insgesamt 1.300 Euro. „Asylbewerber ohne Bankkonto“, sagt Wahlbrecht, „erhalten ihre regelmäßigen Leistungen in Form von Bargeld.“

Nach wie vor steht die schutzsuchende Familie aus Serbien unter Schock. Der Vater sei sehr „angeschlagen“, sagt Wahlbrecht und bittet um Verständnis, dass die Betroffenen nicht mit der Presse reden möchten. Nach dem äußeren Eindruck geht die Familie von Neonazis als Täter aus. Einige der Männer sollen eine Glatze gehabt und Springerstiefel getragen haben. Mit zwei PKWs seien sie geflohen. Bereits am Tag zuvor will die Familie einen PKW mit späteren Tätern am Haus beobachtet haben.

Die Polizei in Hildesheim ist verwundert. Ermittlungen wegen eines gewalttätigen Raubüberfalls laufen. Bei der Anzeige, so Polizeipressesprecher Claus Kubik, sei aber von „Nazis“ nichts gesagt worden. Er sei bisher nicht von einem rassistischen Hintergrund ausgegangen. Einen der Täter beschrieb der Vater nur mit „deutsch“ und „zwei Meter zehn groß“.

Das liege vielleicht an einem Sprachproblem, sagt Wahlbrecht. Nur die Kinder, die zur Schule gehen, sprechen etwas deutsch. Die erste Vernehmung am 4. sei auf Englisch und mit Gestik verlaufen, sagt auch Kubik und betont: „Wir wollen hier nichts vertuschen.“

Nach dem Überfall konnte das Ehepaar mit seinen zum Teil noch sehr kleinen Kindern bei einer befreundeten Familie unterkommen. Mit dem Mann der Familie habe sich der Vater an den Flüchtlingsrat gewendet – auch wegen der Wohnsituation. „Seit dem Überfall leben elf Personen in einer 60 Quadratmeter großen Wohnung“, sagt Wahlbrecht. „Die gehen auf dem Zahnfleisch.“ Er hofft, dass die zuständigen Stellen „schnell und unbürokratisch“ helfen.  

Quelle: taz.de
Stand: 14.01.2013

Sinti und Roma unerwünscht: AfD-Chef Lucke springt auf „Asylbetrügerdebatte“ auf

„Einwanderung ja. Aber nicht in unsere Sozialsysteme“. Mit dieser Parole ging die Alternative für Deutschland im letzten Bundestagswahlkampf auf Stimmenfang. Auf die nationalchauvinistische Karte werden die Eurokritiker wohl auch bei der Europawahl setzen. In einem Focus-Interview sprach ihr Chef Bernd Lucke in Bezug auf Sinti und Roma von einer „nicht gut integrierbaren Randgruppe“. Sozialhilfe für zugezogene EU-Ausländer lehne er ohnehin ab. Derweil fliegen im hessischen AfD-Verband die Fetzen. Allerdings hinter verschlossenen Türen, denn die Medien waren – wie es die NPD auch gerne macht – vom Parteitag ausgeschlossen worden.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Alternative für Deutschland auf die von der CSU losgetretene Debatte über mutmaßliche „Asylbetrüger“ aufspringen würde. Hatte doch die Truppe um den Sprecher Bernd Lucke schon während des Bundestagswahlkampfes gute Erfahrungen mit einer entsprechenden Themenwahl gemacht. Damals fuhren die Eurokritiker schwere Geschütze auf, ihre Plakate machten Stimmung gegen eine Einwanderung, die nur in die deutschen Sozialsysteme erfolge. Aus dem Stand erreichte die Partei ein Ergebnis von 4,7 Prozent und zog fast in den Bundestag ein. Einen Teil ihrer Stimmen sammelte sie dabei am rechten Rand ein.

In einem Interview mit dem Focus machte Lucke deutlich, dass er Sozialleistungen für zugezogene EU-Bürger ablehne. Hintergrund ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die seit dem 1. Januar auch für Rumänen und Bulgaren vollumfänglich gilt. Der Wirtschaftsprofessor hätte demgegenüber eine Öffnung der Grenzen auf Probe bevorzugt. „Brüssel darf nicht darüber entscheiden, wer in Deutschland Sozialleistungen erhält“, sagte er dem Magazin. Und weiter: „Wenn wirklich jeder, der einfach hierher kommt, Anspruch auf Hartz IV hätte, würde das unseren Sozialstaat ruinieren. Wir können einen Kuchen doch nicht mit ganz Europa teilen.“

Der Parteigründer, der vermutlich gemeinsam mit dem ehemaligen Präsident des BDI, Hans-Olaf Henkel, die AfD-Liste zur Europawahl am 25. Mai anführen wird, möchte nicht alle Zuwanderer über einen Kamm scheren. Skeptisch steht der 51-Jährige besonders Sinti und Roma gegenüber, die er für „nicht gut integrationsfähig“ hält. Diese „Randgruppe“, so Lucke wörtlich, komme „leider in großer Zahl“ nach Deutschland.

Geht es um die eigenen Belange, möchte sich die Protestpartei hingegen nicht in die Karten schauen lassen. Nach der Rede des Parteisprechers auf dem hessischen Landesparteitag schlossen die Delegierten die anwesende Presse aus: Die Abrechnung mit dem mittlerweile kaltgestellten Landesvorsitzenden sollte hinter verschlossenen Türen erfolgen. Eine Praktik, die von der NPD bestens bekannt ist.

Quelle: Endstation Rechts
Stand: 13.01.2014

„Antiziganismus prägt Zuwanderungsdebatte“

Mit dem Schlagwort Armutsmigration wird in Deutschland über EU-Zuwanderung diskutiert – oft mit Negativ-Bildern der Zuwanderer, kritisiert Antiziganismus-Forscher Markus End.

DW: Herr End, in Deutschland wird über die sogenannte Armutsmigration aus Südosteuropa diskutiert, was stört Sie an dieser Debatte?

Markus End: Mir stößt übel auf, dass diese Debatte antiziganistisch geführt wird. Seit Mitte 2012 wurde der Begriff „Armutszuwanderer“ in der Öffentlichkeit gleichgesetzt mit dem Begriff „Roma“. Dadurch wurden Roma die Eigenschaften zugeschrieben, die man den sogenannten Armutszuwanderern zuschrieb: Sie wurden pauschal als faul und als Sozialschmarotzer bezeichnet. Es hieß, sie würden Müll und Lärm produzieren oder zur Kriminalität neigen. Wer regelmäßig Medien konsumierte, hat gelernt, dass Roma Armutszuwanderer seien.

Antiziganismus ist eine Form des Rassismus?

Ja, Antiziganismus ist eine Form des Rassismus, die eine besonders lange Tradition in Deutschland hat und ihren Höhepunkt im nationalsozialistischen Genozid an Sinti und Roma fand. Er macht sich an der Fremdzuschreibung „Zigeuner“ fest und an den Stereotypen, die dieses „Zigeuner-Bild“ prägen.

In den Medien findet man Berichte aus Städten, in die offenbar viele arme EU-Zuwanderer kommen. Oft heißt es, viele davon seien Roma – was genau ist falsch oder gefährlich an diesen Berichten?

Man muss sich fragen, was der Hinweis auf Roma soll: Es gibt ein Haus in Duisburg, das besonders in der Diskussion steht. Es wird abwechselnd „Roma-Haus“ und „Problem-Haus“ genannt. Das Wort Roma steht in dieser Debatte also ganz undifferenziert für Problem. Neben der Kritik an solchen Zuschreibungen muss man Differenzierungen einfordern. Dass es amerikanische, australische und eben rumänische Roma gibt und deutsche Roma. In der Debatte werden Roma per se als Fremde dargestellt, obwohl viele seit Generationen in Deutschland leben. Auch dass es gebildete Roma gibt und ungebildete, arme und reiche, geht in der Diskussion völlig unter, Roma wird hier beinahe gleichbedeutend mit Armut, Kriminalität oder Müll verwendet. Das muss kritisiert werden! Continue reading „Antiziganismus prägt Zuwanderungsdebatte“

Feindbild Roma

Ein Willkommensgruß sieht anders aus. Auf die vollständige Öffnung des Arbeitsmarktes in der EU für Bürger aus Bulgarien und Rumänien, die seit dem Jahreswechsel gilt, antwortet die CSU ausgerechnet mit einer Kampagne gegen angebliche Sozialbetrüger aus anderen EU-Ländern.

Damit stellt sie nicht nur alle Einwanderer aus diesen Ländern unter Generalverdacht. Sie schadet damit auch dem Ansehen Deutschlands, das auf Zuwanderung angewiesen ist. Viele deutsche Krankenhäuser und Altersheime etwa wären ohne Ärzte und Pfleger aus Osteuropa und dem Rest der Welt schon jetzt längst zusammengebrochen.

Dabei ist klar, dass unter den neuen Zuwanderern auch welche sein werden, die womöglich nicht in der Lage sind, sich allein durch ihrer Hände Arbeit zu ernähren. Um sich auf diese Herausforderung einzustellen, brauchen notorisch klamme Städte wie Duisburg, Dortmund oder Berlin Unterstützung. Das geht aber auch, ohne Panik vor einer angeblich drohenden Völkerwanderung aus den Armenvierteln Südosteuropas zu schüren. Ziemlich unverhohlen zielt die CSU damit auf weit verbreitete Ängste und Vorurteile gegenüber Roma, die als schwer integrierbar gelten.

Der Grund dahinter ist simpel: In Bayern stehen in diesem Jahr neben der Europawahl im März auch Kommunalwahlen an. Die CSU will natürlich ihre Vorherrschaft behaupten. Aus regionalpolitischem Kalkül ist sie deshalb bereit, eine Menge europäisches Porzellan zu zerschlagen.

Für Angela Merkel wäre es an der Zeit, ein paar deutliche Worte zu sprechen. Sie hat es sich ja mal auf die Fahnen geschrieben, für eine „Willkommenskultur“ zu sorgen, die Einwanderer nicht mehr als potenzielle Gefahr, sondern als Gewinn für den deutschen Wohlstand begreift. Die CSU-Kampagne aber vergiftet das Klima.

Quelle: taz.de
Stand: 03.01.2014

Staatsvertrag mit Sinti und Roma

Sie sind Deutsche und leben seit Jahrhunderten im Land. Doch Sinti und Roma, in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, werden bis heute diskriminiert. In Baden-Württemberg stärkt jetzt ein Staatsvertrag ihre Rechte.

„Wir waren schon hier, bevor es dieses Land gegeben hat“, sagt der Baden-Württemberger Daniel Strauß, der das Gefühl kennt, in seiner Heimat abgelehnt zu werden. Als Vorsitzender des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma hat er zusammen mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) im Stuttgarter Schloss einen Staatsvertrag unterzeichnet. Strauß sprach von einem historischen Ereignis „nach Jahrhunderten der Angst und des Misstrauens“. Für die Minderheit in Baden-Württemberg soll eine neue Zeit anbrechen: ein Verhältnis auf Augenhöhe, um das man 18 Jahre lang gerungen hatte. „Dieses Land ist unsere gemeinsame Heimat“, sagte Ministerpräsident Kretschmann.

Der Staatsvertrag erkennt an, dass Sinti und Roma seit mehr als 600 Jahren zur Kultur des Landes gehören und als geschützte Minderheit ein Recht auf die Förderung ihrer Kultur und ihrer Sprache Romanes haben. Vergleichbares gilt für Friesen, Dänen und Sorben in anderen Teilen Deutschlands. Schleswig-Holstein hatte 2012 den Minderheitenschutz für Sinti und Roma in die Landesverfassung geschrieben. Continue reading Staatsvertrag mit Sinti und Roma

Mahnmal für ermordete Schweinfurter Sinti und Roma

Die Stadt Schweinfurt hat ein Mahnmal für die von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma eingeweiht

Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) enthüllte die Gedenksäule auf dem Alten Friedhof am Montag zusammen mit dem Landesvorsitzenden des Verbands Deutscher Sinti und Roma, Erich Schneeberger. Am 16. Dezember 1942 hatte der Reichsführer SS Heinrich Himmler per Erlass die Deportation der in Deutschland lebenden Sinti und Roma in Konzentrationslager angeordnet. Wie die Stadt mitteilte, wurden damals auch drei Schweinfurterinnen deportiert, nur eine überlebte.

Quelle: ORF.at
Stand: 16.12.2013

Klausprüche und Beschimpfungen: Sido kritisiert Rassismus gegen Sinti

Als Kind muss Sido miterleben, wie seine Mutter wegen ihrer Herkunft beleidigt wird. Auch er selbst kämpft gegen Vorurteile. Nun mahnt er deshalb an: Die Deutschen müssten Menschen aus anderen Kulturen mehr entgegenkommen.

Der Rapper Sido fordert mehr Offenheit gegenüber Menschen aus anderen Kulturen. Er selbst und seine Familie seien wegen seiner Herkunft immer wieder angefeindet worden. So habe er als Kind miterlebt, wie seine Mutter beschimpft wurde, weil sie eine Sintiza ist. „Es war komplett offener Rassismus“, sagte Sido. „Als man älter wurde, gab es diese Klausprüche, man wurde in eine Schublade gesteckt“, erzählte Sido weiter. „Wir sind auch eine andere Kultur und haben uns so gut es ging angepasst. In Deutsch hatte ich zum Beispiel immer meine beste Note. Da habe ich aber gemerkt, dass man verlangt, dass man etwas tut, aber es kommt einem niemand entgegen.“ Diese Erfahrungen thematisiere er unter anderem in seinem Song „Enrico“. „Dieser Enrico ist wie ich aus einer Hochhausgegend und kann gut Gitarre spielen“, sagte der Musiker, der mit bürgerlichem Namen Paul Würdig heißt. „Er weiß, das wird ihn irgendwann aus der Scheiße herausholen. Ein bisschen ist das auch meine Geschichte, aber auch Sozialkritik.“ „Ich will den Leuten sagen: Guckt, so etwas gibt es, wir dürfen diese Leute nicht vergessen“, forderte Sido. „Wenn wir wollen, dass sie sich integrieren, müssen wir ihnen auch entgegenkommen und die Türen aufmachen.“

Quelle: N-TV
Stand: 26.11.2013

„Niemand hat der Hetze Einhalt geboten“

64 Prozent der Deutschen lehnen Sinti und Roma als Nachbarn laut einer Studie ab. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma übt nun scharfe Kritik an den Medien. Sie würden alte Vorurteile befeuern.

Romani Rose hält das Titelbild der „New York Times“ hoch. Darauf ist riesengroß das Bild der verängstigt dreinblickenden Maria zu sehen, vier Jahre. Das Mädchen wurde bei einer griechischen Roma-Familie entdeckt. Weltweit habe die Geschichte für Schlagzeilen gesorgt, sagt der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, und alte Vorurteile befeuert, Roma klauten blonde kleine Kinder.
Schließlich hatte sich herausgestellt, dass die leiblichen bulgarischen Eltern das Kind aus finanziellen Gründen freiwillig zur griechischen Familie gegeben habe. Zuvor war jedoch in vielen Zeitungen über „Kindesentführung, Missbrauch, Zwangsheirat und Organhandel“ spekuliert worden.
„Dieses Bild wurde in Deutschland und weltweit pauschal auf eine gesamte Minderheit projiziert und hat antiziganistische Feindbilder zum erblühen gebracht“, sagt Rose. „Schuld, wenn überhaupt, hat die griechische Familie XY, und nicht eine ganze Ethnie.“ Continue reading „Niemand hat der Hetze Einhalt geboten“

Zentralrat Deutscher Sinti und Roma: Kritik an „rassistischen Grundmustern“

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hat die Berichterstattung zum Fall des Mädchens Maria in Griechenland kritisiert. Der Vorsitzende sprach von „rassistischen Grundmustern“, die nun die gesamte Minderheit in Europa zu spüren bekomme.

Im Zusammenhang mit der Berichterstattung im Fall der kleinen Maria hat der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma Diskriminierung und rassistische Vorurteile beklagt. Der Vorsitzende Romani Rose kritisierte „rassistische Grundmuster, unter denen jetzt die gesamte Minderheit in Deutschland und Europa zu leiden hat“.

Medien hätten in ihrer Berichterstattung in Deutschland und weltweit Sinti und Roma mit allen Formen von Kriminalität in Zusammenhang gebracht – „von Kindesentführungen und -missbrauch über Zwangsheirat bis zu unterstelltem Organhandel“. Die deutsche Politik habe nicht gehandelt: „Niemand hat dieser Hetze Einhalt geboten“, so Rose.

Die fünfjährige Maria war in einem griechischen Roma-Lager entdeckt worden. Wegen ihres Aussehens war vermutet worden, das Kind sei entführt worden. Später stellte sich heraus, dass die Mutter eine bulgarische Roma ist. Sowohl die leiblichen als auch Adoptiveltern sprechen von einer einvernehmlichen Abmachung zur Übergabe des Kindes. Wenige Tage nach dem Bekanntwerden des Falles nahmen irische Behörden einer Roma-Familie zwei blonde Kinder weg – ein DNA-Test belegte jedoch, dass es sich bei den Erwachsenen um die biologischen Eltern handelt.

Sinti und Roma würden zu potentiellen Kindesräubern gemacht, kritisierte Rose. Er forderte deshalb den Bundestag auf, eine Expertenkommission einzusetzen. Sie soll die Feindlichkeit gegenüber Sinti und Roma in Deutschland dokumentieren. In der Bundesrepublik leben nach Schätzungen etwa 100.000 Sinti und Roma, in der EU rund sechs Millionen.

Quelle: Spiegel Online
Stand: 05.11.2013

Ausländerbehörde zeigt Härte: Roma eiskalt abgeschoben

Die Ausländerbehörde lässt kurz vor dem Winter 49 Menschen auf den Balkan ausfliegen. Flüchtlingsrat wirft Innensenator vor, „Angst und Schrecken“ zu verbreiten

Am vergangenen Dienstag hat Innensenator Frank Henkel (CDU) 49 Menschen ins frühere Jugoslawien bringen lassen. Betroffen von der Sammelabschiebung waren laut Innenverwaltung 24 bosnische und 25 serbische Staatsangehörige, die von Schönefeld nach Belgrad bzw. Sarajevo ausgeflogen wurden. Es war seit August die dritte Sammelabschiebung von Berlin auf den Balkan.

Der Berliner Flüchtlingsrat kritisierte die Maßnahme. „Da wurden Leute früh morgens aus ihren Betten geholt und sofort zum Flughafen gebracht und in den Flieger gesetzt“, so Martina Mauer von der Initiative. Nach ihrer Kenntnis seien mehrere Menschen betroffen gewesen, die aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustands nicht hätten abgeschoben werden dürfen. „Aber bei so einer Hauruck-Aktion bleibt nicht einmal Zeit, ein Gericht anzurufen.“

Mauer weiß auch von einem schwerkranken alten Mann aus Serbien, dessen Lebenspartnerin abgeschoben wurde, mit der er seit 30 Jahren zusammenlebt und ein Kind hat. „Er trägt ein Beatmungsgerät und war auf die Hilfe seiner Partnerin angewiesen“, sagt sie. Andere Betroffene wollten bereits freiwillig zurückkehren und hätten schon Termine dafür gehabt „Der Großteil der Asylsuchenden aus dem Westbalkan sind Angehörige der Roma-Minderheit. Sie werden in der Regel direkt in die Obdachlosigkeit abgeschoben. Auf dem Westbalkan sind sie existenzieller Armut, vielfältigen Diskriminierungen und rassistischen Übergriffen ausgesetzt.“

Mindestens zehn Jahre lang habe Berlin die Praxis unangekündigter Blitzabschiebungen nicht mehr angewendet, sagt Mauer. Die Ausländerbehörde wolle mit dem Wiederaufgreifen „Angst und Schrecken“ verbreiten. „Sie schreckt dabei weder vor Familientrennung zurück noch vor der Abschiebung schwerkranker Menschen.“ Eine Serbin, deren Nachbarn abgeholt wurden, erzählt der taz: „Ich schlief noch, als die Polizei in unser Wohnheim kam. Ich hatte große Angst, dass auch ich abgeholt und nach Serbien gebracht werde. Ich bin froh, dass mein kranker Mann im Krankenhaus liegt und das nicht miterleben musste.“

Rechtsanwältin Marie Ellersieck betreute zwei betroffene Roma und erzählt: „Meine Mandanten waren in einer therapeutischen Behandlung. Die Ausländerbehörde hat aber die Atteste nicht akzeptiert und den Therapieprozess mit der Abschiebung abgebrochen.“ Die Männer seien morgens 7 Uhr aus den Unterkünften geholt und zum Flughafen gebraucht worden. „Ich wurde als Anwältin nicht informiert, und es blieb auch nicht die Zeit, ein Gericht anzurufen“, so Ellersieck. „Ich bewerte solche Blitzaktionen als ein Abschneiden von Rechtsmitteln.“

Kritik kommt auch von der Opposition im Abgeordnetenhaus. Pirat Fabio Reinhardt sagt: „Dieses Vorgehen ist rein politisch motiviert. Der Senat möchte jetzt vor den Wintermonaten noch schnell so viele Flüchtlinge wie nur irgend möglich abschieben.“ Die Piratenfraktion forderte ein „Ende dieser menschenverachtenden Praxis und einen Abschiebestopp insbesondere über die Wintermonate“.

Jahrelang praktiziert

Gemeinsam mit Grünen und Linken wollen die Piraten einen solchen Abschiebestopp für Minderheitenangehörige ins Parlament einbringen. „Das wäre ein Gebot der Menschlichkeit“, sagte die grüne Flüchtlingspolitikerin Canan Bayram. Der frühere Innensenator Ehrhart Körting von der SPD hatte einen Winter-Abschiebestopp jahrelang praktiziert, wenn auch nicht öffentlich verkündet.

Vergangenes Jahr hatte Innensenator Frank Henkel (CDU) noch im Dezember Betroffene abgeschoben, nach öffentlichen Protesten aber seine Haltung geändert. Nun erklärte er gegenüber der taz Folgendes: „Berlin hat sich in den vergangenen Jahren den in einigen Bundesländern verfügten formalen Winterabschiebestoppregelungen für Angehörige von Minderheiten aus Serbien, Bosnien, dem Kosovo und Mazedonien nicht angeschlossen. Ungeachtet dessen hat Berlin der Situation besonders schutzbedürftiger Menschen aus den Westbalkanstaaten in den Wintermonaten 2012/2013 in angemessener Weise Rechnung getragen und wird dies unter humanitären Aspekten auch künftig tun.“

Soll wohl heißen: Am Dienstag war ja noch kein Winter.

Quelle: taz.de
Stand: 21.10.2013