Daniel Strauß engagiert sich in Baden-Württemberg für die Rechte der Sinti und Roma. Mit Sorge äußert er sich im DW-Interview zur Debatte um den Zuzug aus EU-Staaten und die anhaltenden Vorurteile gegen die Minderheit.
DW: Herr Strauß, wie ist die Lage der Roma in Deutschland?
Daniel Strauß: Die Lage ist brisant. Die Studie „Deutsche Zustände“ von Wilhelm Heitmeyer beschreibt, dass 27,7 Prozent der deutschen Mehrheitsgesellschaft der Handlungsaufforderung zustimmen, Sinti und Roma aus den Innenstädten zu vertreiben. Da geht es nicht nur um Vorurteile. Man stimmt einer Aufforderung zu, unabhängig von den verschiedenen Gruppen, ob es nun Flüchtlinge oder ob das Alteingesessene sind. Antiziganismus ist das Grundproblem.
Unter Antiziganismus versteht man die Feindseligkeit gegen Menschen, die man als „Zigeuner“ wahrnimmt. Die rechtsextreme NPD hat im Bundestagswahlkampf gegen die Minderheit gehetzt. Dagegen gab es Widerstand: Klagen und Aktionen in Städten wie zum Beispiel Gegenplakate. Ermutigt Sie die Solidarität?
In jedem Fall, das war in den letzten Jahren nicht so stark ausgeprägt. Unabhängig davon, dass die NPD-Plakat-Aktion rassistisch und leicht zu durchschauen ist, ist die rechtliche Handhabe dagegen nicht einfach. Insofern finde ich das mutige Vorgehen von verschiedenen Kommunen und anderer, die Strafanzeige gestellt haben, sehr ermutigend.
In Deutschland klagen Städte und Gemeinden über Belastungen durch sogenannte „Armutswanderer“ aus den EU-Staaten Bulgarien und Rumänien. Immer wieder heißt es, darunter seien viele Roma. Sie leiten den Landesverband der Deutschen Sinti und Roma in Baden-Württemberg, wie berührt Sie das Thema?
Zunächst ist man mit dem Bild konfrontiert worden, hier kämen überproportional Roma zugewandert. Man sprach von 60 bis 70 Prozent unter den Zugewanderten. Dem ist nicht so: Wir haben das untersucht in einer Mikrostudie und auch die offiziellen Zahlen von Rumänien und Bulgarien. Da liegt der prozentuale Anteil gleichauf mit dem Bevölkerungsanteil in den jeweiligen Ländern. Das heißt, zwischen acht und zehn Prozent derer, die hierher kommen, sind Roma. Es gibt also keine überproportionale Zuwanderung von Roma. Continue reading Strauß: „Viele Roma leben inkognito, um eine Chance zu haben“
Category Archives: Deutschland
antizig.blogsport.de unterstützt Kálló
Vor über einem Jahr brachten wir, das antizig-Team, unsere Soli T-shirts heraus. Mittlerweile ist einige Zeit vergangen und der Großteil von ihnen fand glücklicherweise neue Besitzer*Innen.
Anfang August startete die Gruppe „Leipzig Korretiv“ einen Spendenaufruf für das Dorf Kálló in Ungarn. Das Projekt entsprach unseren Erwartungen, da es eine längerfristige Verbesserung der Lebenssituation der Menschen in Kálló zu ermöglichen scheint. Daher haben wir uns entschlossen den Solibeitrag unserer T-Shirts – immerhin 300€ – diesem Projekt zukommen zu lassen.
Damit dürfen sich all jene, welche bereits ein T-Shirt ihr eigen nennen dürfen, sicher sein, dass sie den Preis nicht für unsere persönliche Bereicherung gezahlt haben.
Noch sind wenige Exemplare erhältlich (jedoch nur noch in den Größen Unisex S und Tailliert (Girly) M). Wir würden uns freuen wenn auch diese noch unter die Leute kämen – da sie sehr kleidsam sind – aber auch weil wir den noch nicht eingenommenen Solibeitrag, persönlich vorgestreckt haben. Eine E-Mail an antizig[at]arcor.de genügt zum Bestellen.
Mit besten Grüßen
Eure antizig.blogsport.de Betreiber
„Rassismus und Antiziganismus – Erkennen, Benennen, Entgegenwirken“
29.11.2013 bis 30.11.2013 in Dresden
Worum geht´s?
Rassistische Vorurteile können negativ und positiv besetzt sein: So gibt es neben dem Bild des kriminellen „Zigeuners“ und Armutsmigranten aus Rumänien auch das der freiheitsliebenden „Zigeunerin“ in Bizets Oper Carmen. An den
Vorstellungen über die heterogene Gruppe der Sinti und Roma lassen sich Mechanismen rassistischer Vorurteile aufzeigen und somit übertragen auf die Funktionsweise von Rassismus im Allgemeinen. Mit diesen beschäftigt sich
auch das im März 2012 erschienene „Methodenhandbuch zum Thema Antiziganismus“. Das pädagogische Konzept des Handbuchs und verschiedene Anwendungsmöglichkeiten werden in diesem Seminar diskutiert und vorgestellt. Außerdem werden einführende Informationen zum historischen und aktuellen Antiziganismus in Europa und Deutschland, sowie zur Struktur und Funktionsweise antiziganistischer Ressentiments erarbeitet. Seminarleitung: Markus End (Politikwissenschaftler) und Patricia Pientka (Historikerin). Beide gehören zu den Autor/innen des o.g. Handbuchs.
http://www.bruecke-most-stiftung.de/download.php?d=termine&name=Flyer_WS_Antiziganismus.pdf
—
Susanne Gärtner – Brücke/Most-Stiftung
Gesellschaft & Geschichte
Reinhold-Becker-Str. 5, D – 01277 Dresden
Telefon: +49 (0)351 43314 224
Fax: +49 (0)351 43314 133
eMail: [email protected]
Wenn Sie regelmäßig über unsere Aktivitäten informiert sein möchten, dann
melden Sie sich einfach und bequem auf unserem Online-Portal an:
http://bruecke-most-stiftung.de/?id=7&formular=9
—————————————————————————-
———–
Besuchen Sie auch unsere Präsentationen im Internet unter:
www.bruecke-most-stiftung.de
www.bruecke-most-zentrum.de
www.tschechische-kulturtage.de
www.zeitzeugen-dialog.de
—————————————————————————-
———–
Bruecke/Most-Stiftung
Stiftung des Buergerlichen Rechts – Sitz der Stiftung: Dresden –
Stiftungsverzeichnis AZ: 21-563 Stiftung „Die Bruecke/Most“ beim
Regierungspraesidium Dresden – Vorstand: Prof. Dr. Helmut Koeser
(Vorsitzender), Dr. Stephan Nobbe, Dr. Paul Selbherr, Peter Baumann
(geschaeftsfuehrend) – Vorsitzender des Kuratoriums: Prof. Dr. Otto
Luchterhandt – USt-Id.Nr. DE193473429
Bruecke-Institut fuer deutsch-tschechische Zusammenarbeit gemeinnuetzige
GmbH
Rot-Rot-Grün und der „bedrohte soziale Frieden”
Der Rat der Stadt Duisburg hat am Montag einen von den Fraktionen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke eingebrachten Antrag zum Thema „Zuwanderung aus Südost-Europa“ beschlossen.
Die Lokalredaktion der Rheinischen Post fasst den Inhalt des ersten Teils des Antrags in der ihr eigenen Art zusammen: „Mit dem Ratsantrag verbanden SPD, Linke und Grüne höchstes Lob an den Oberbürgermeister und seine Mitarbeiter für die geleistete Arbeit im Zusammenhang mit den “Rumänen- und Bulgarenproblemen”. Auch wenn im Antrag der rot-rot-grünen Ratsmehrheit nicht offen von einem “Rumänen- und Bulgarenproblemen” gesprochen wird, so stellt der Antrag doch fest, die „konzentrierte Unterbringung von Zuwanderern zu zahlreichen Problemstellungen innerhalb von Nachbarschaften“ führe. Von wem welche Probleme ausgehen, erfährt man leider nicht. Dass rassistische Anwohner_Innen-Initiativen in Bergheim, die Ankündigung von antiziganistischen Übergriffen in Facebook-Gruppen oder versuchte Angriffe von Neonazis auf die Häuser In den Peschen 3-5 für Probleme verantwortlich sein könnten, ist aber sehr wahrscheinlich nur bedingt gemeint. Explizit benannt werden die antiziganistischen Vorgänge, welche seit über einem Jahr in Duisburg-Bergheim und anderen Stadtteilen zu beobachten sind, zumindest nicht.
Weiter heißt es im Antrag der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke: „Um Integration zu unterstützen, muss auch der soziale Friede vor Ort sichergestellt werden. Ein verbessertes Zusammenleben und gegenseitige Akzeptanz können nur durch Einhaltung von Regeln und Gesetzen erfolgen.“ Auch hier wird nicht benannt, wer vermeintlich gegen „Regeln und Gesetze“ verstößt. Den Bewohner_innen der Häuser können Gesetzesverstöße allerdings allerdings nur bedingt nachgewiesen werden. So war zum Beispiel die „Ausbeute“ einer Großrazzia der Polizei – welche in den Häuser In den Peschen 3-5 „Einbrecherbanden“ vermutete – , äußerst mager. Die WAZ berichtete im November 2013 über die Razzia wie folgt: „Vier der Bewohner mussten mit aufs Präsidium, weil sie sich nicht ausweisen konnten. Diebesgut konnten die Einsatzkräfte jedoch nicht sicherstellen.“ Die Formulierung im Antrag kann also als eine pauschale Kriminalisierung der Bewohner_innen der Häuser in Bergheim wie von Zuwander_innen aus Südosteuropa insgesamt verstanden werden. Continue reading Rot-Rot-Grün und der „bedrohte soziale Frieden”
Gießens „Oma mag auch Sinti und Roma“
Mit einer schlagfertigen Reaktion hat die Stadt die Plakatmotive der NPD („Geld für die Oma statt für Sinti & Roma“) gekontert. „Meine Oma mag auch Sinti & Roma“ lautet die Botschaft der eigens angefertigten Plakate, deren erstes Exemplar am späten Nachmittag an der Kreuzung Marburger Straße/Wiesecker Weg angebracht wurde. Während in vielen deutschen Städten vergeblich versucht worden ist, die jüngste NPD-Plakatpropaganda gegen die Volksgruppe der Sinti und Roma auf juristischem Weg zu stoppen, geht ein überparteiliches Bündnis von Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung in Gießen gemeinsam einen neuen Weg: Es beantworte die Propaganda der NPD direkt mit einem Gegenplakat, heißt es in einer Mitteilung des Magistrats. Ein deutliches und überzeugendes Zeichen und ein Plädoyer für Weltoffenheit und Toleranz hätten die beteiligten Fraktionen CDU, SPD, Bündnis90/Die Grünen, Bürgerliste/Linkes Bündnis, Die Linke sowie Die Piraten damit setzen wollen. Dafür habe sich Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz (SPD) eingesetzt und geworben. Nicht an der Aktion beteiligt haben sich die Freien Wähler und die FDP. In den nächsten Tagen sollen die Plakate an den Stellen in der Stadt aufgehängt werden, wo die NPD Stimmung gegen Sinti und Roma macht.
Gestern Morgen hatte das Gießener Verwaltungsgericht die Stadt aufgefordert, die von ihr am Montag entfernten NPD-Plakate wieder aufzuhängen. Dieser Aufforderung sei die Stadt, die keine Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt hat, umgehend nachgekommen. Stadtsprecherin Claudia Boje bedauerte, dass die Bauhof-Mitarbeiter dabei „leider ziemlich viel Pöbelei ausgesetzt waren, weil die Leute auf der Straße entweder dachten, sie seien von der NPD oder sie angegangen sind, weil sie sich zum ,Handlanger‘ machen“. Weder das eine noch das andere sei jedoch der Fall: „Die Mitarbeiter mussten die Plakate wieder aufhängen.“ Dies habe nichts mit ihrer Überzeugung zu tun, betonte Boje.
Die Verwaltungsrichter begründeten ihre Entscheidung in erster Linie damit, dass die Aussage „Geld für die Oma statt für Sinti & Roma“ nicht den Straftatbestand der Volksverhetzung erfülle. Zudem monierten die Richter einen formalen Fehler der Oberbürgermeisterin. So habe Grabe-Bolz ihre Aufforderung an die NPD, die in der Nordanlage angebrachten Plakate zu entfernen, nicht mit einer Anordnung zur sofortigen Vollziehung versehen, was nach Aussage des Gerichts aber Voraussetzung für die sofortige Abnahme der Plakate gewesen wäre. Dieser – nach Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht entscheidende – Umstand rief den Gießener FDP-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl, Wolfgang Greilich, auf den Plan. Die Anordnung des Sofortvollzugs als Voraussetzung für die sofortige Abnahme der Wahlplakate zu vergessen sei ein dilettantischer Anfängerfehler, der zeige, dass die Oberbürgermeisterin trotz ihres personell stark ausgeweiteten Verwaltungsapparates nicht in der Lage sei, eine Verfügung auch nur formal korrekt zu erlassen, kritisierte Greilich. Auch er betonte: „Rechtsextremismus hat in einer bunten und weltoffenen Stadt wie Gießen keinen Platz. Die bevorstehende Demonstration der NPD sollten alle Demokraten, unabhängig der politischen Couleur, zum Anlass nehmen, ein deutliches Signal der Vielfalt, Toleranz und Demokratie auszusenden.“
Quelle: Gießener Anzeiger
Stand: 13.09.2013
Parteiausschluss aus Bremer SPD: Leise grüßt der Sarrazin
Die SPD schließt den Bremer Politiker Korol wegen Antiziganismus und Frauenfeindlichkeit aus. Er beruft sich auf die Meinungsfreiheit.
Der Bremer Parlamentarier Martin Korol ist aus der SPD ausgeschlossen worden. Der 68-Jährige hatte gegen Sinti und Roma gehetzt und sich frauenfeindlich geäußert. Diese Ansichten seien „mit den Grundsätzen der SPD in keiner Form vereinbar“, gab die Bundesschiedskommission bekannt. Korol habe der Partei einen „schweren Schaden“ zugefügt. Der Politiker war seit 1969 in der SPD.
Im Februar war Korol als Abgeordneter in die Bremer Bürgerschaft nachgerückt. Auf seiner Homepage schrieb er über Sinti und Roma, sie lebten „sozial und intellektuell“ noch „im Mittelalter“: Die Männer hätten „keine Hemmungen, die Kinder zum Anschaffen statt zur Schule zu schicken und ihren Frauen die Zähne auszuschlagen.“
Die taz thematisierte Korols Einlassungen, daraufhin distanzierte sich die Bremer Parteiführung von ihm. Im April wurde er zunächst aus der Fraktion ausgeschlossen. Schon in einem ersten Parteiordnungsverfahren hatte die Landesschiedskommission Korol seine Mitgliedsrechte entzogen, allerdings nur auf zwei Jahre begrenzt. Beide Seiten gingen in Berufung, der Landesvorstand wollte den endgültigen Ausschluss.
Für Korol selbst ist der Rauswurf „unerklärlich und nicht angemessen“. Er beruft sich auf die Meinungsfreiheit – und zieht die Parallele zum Fall des ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin: „Im Gegensatz zu Sarrazin, der nun wirklich biologistisch argumentiert hat, habe ich mir nichts zu Schulden kommen lassen“, so Korol zur taz.
Sarrazin überstand zwei Parteiordnungsverfahren
Tatsächlich machten beide Politiker nicht nur vergleichbare Äußerungen, beide erhielten auch Schützenhilfe von der Bild-Zeitung. Doch Sarrazin ist als ehemaliger Berliner Finanzsenator ungleich prominenter. Er hat zwei Parteiordnungsverfahren überstanden. Zunächst, 2009, ging es um ein Interview, das Sarrazin der Zeitschrift Lettre International gegeben hatte. Sarrazin sagte darin, dass eine „große Zahl an Arabern und Türken“ keine „produktive Funktion außer für den Obst- und Gemüsehandel“ habe.
Doch die Bundes-SPD befand Sarrazins Äußerungen zur genetischen Vererbung von Intelligenz und zur Integrationspolitik in seinem 2010 veröffentlichen Buch „Deutschland schafft sich ab“ als „parteischädigend“ – und strengte ein weiteres Verfahren gegen Sarrazin an. Gegen den Parteiausschluss hatte sich unter anderem SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ausgesprochen.
Der Bremer Parteienforscher Lothar Probst begründet das unterschiedliche Vorgehen der SPD in den Fällen Sarrazin und Korol mit politischem Opportunismus: „Die Frage ist, welchen Preis eine Partei zahlt, wenn sie ein Mitglied ausschließt.“ Martin Korol interessiere vielleicht in Bremen, im Rest der Republik sei er eher unbekannt. Doch das Problem, sagt Parteienexperte Probst, sei, „dass es in einer Volkspartei wie der SPD einen gewissen Prozentsatz an Mitgliedern und Wählern gibt, die ähnliche Positionen wie Herr Korol oder Herr Sarrazin vertreten“.
Quelle: taz.de
Stand: 10.09.2013
Gekommen, um zu bleiben
Zwei rumänische Brüder wohnen neuerdings mit ihren Familien im Umfeld der Hochhäuser in Hochheide. Seither kursieren die Gerüchte um die Immobilie. Zustände und Probleme wie in Bergheim sind nicht zu erwarten, sagt die Immobilienverwalterin, die ihren neuesten Mietern einen Besuch abstattete.
Der dunkle Mercedes S 600 fährt vor. Kennzeichen aus Nordfriesland. Passanten schauen skeptisch, solche Nobelschlitten sieht man im Schatten der Hochheider Hochhäuser sonst eher selten. Die Fahrerin steigt aus, sie trägt jede Menge goldenen Schmuck.
Zielstrebig geht sie auf ein Wohnhaus zu, klingelt. Der Hausflur ist renovierungsbedürftig wie das gesamte Haus. Löcher in den Wänden und ein abgewetztes Treppenhaus. Oben an der ersten Wohnungstür wird sie schon erwartet. Sie verwaltet die Immobilie für einen Geschäftsmann aus Berlin. Jetzt besucht sie ihre neuesten Mieter: zwei rumänische Brüder mit ihren Familien.
„Die Gerüchte sind totaler Blödsinn“
Seit rund zwei Monaten leben die fünf Erwachsenen und zehn Kinder in Hochheide. Seither kursieren Gerüchte um das Gebäude. Ein Problemhaus wie in Bergheim sei entstanden. Über 50 Menschen seien dort untergebracht, die Miete werde in Mafia-Manier bar eingetrieben und dort würden Ziegen geschlachtet. „Das ist totaler Blödsinn“, sagt die Verwalterin, die ihren Namen nicht veröffentlicht sehen möchte. Eine menschenunwürdige Überbelegung gebe es nicht. Zudem habe sie sich dafür eingesetzt, dass die Familien ein Bankkonto bekommen. Es stimme zwar, dass die Kinder morgens von Kleintransportern abgeholt würden. Aber nicht, um als Klau-Kids oder Bettler an Geld zu kommen. „Die Mütter erzählen, sie werden zu den Einrichtungen Immersatt und Zof gefahren.“
In ärmlichen Verhältnissen leben die 15 Neu-Hochheider. Ein alter Wasserschaden ist in der 180 Quadratmeter großen Wohnung noch sichtbar, die Möbel stammen vom Sperrmüll, ein Zimmer ist nur halb tapeziert, weil das Geld ausgegangen ist. Zum Kochen gibt’s nur einen alten Herd mit Kochplatten. Doch die Großfamilie renoviert ihr Zuhause stetig. Bilder und Dekoration sollen Gemütlichkeit vermitteln. Alles ist blitzblank geputzt.
Mieter haben nur Monatsverträge
Ihre Besucherin grüßen die Roma nett, sprechen aber nur wenig Deutsch und Englisch. Der rumänischer Hausmeister löst das Sprachproblem. „Solange sie ihre Miete zahlen und ordentlich sind, vermiete ich gerne an Rumänen und Bulgaren. Probleme hatte ich bisher eher mit deutschen Mietern, einige waren Messis und haben ihr Zuhause nicht gepflegt“, sagt die Verwalterin. Auch die türkische Vormieterin, eine Mutter mit acht Kindern, habe ihre vier Wände „regelrecht verunstaltet“.
Zustände wie In den Peschen werde es aber in dem Haus, in dessen drei anderen Wohnungen noch zwei bulgarische Arbeiter, ein Türke und ein Deutscher leben, niemals geben. Die Mieter hätten Monatsverträge. Sollte es Ärger geben, werde man sofort kündigen. „Die Familien wollen aber hier bleiben und bemühen sich sehr.“ Sie besuchen ein Integrationsprojekt des Stadtteilfördervereins und die Kinder sind für die Schule angemeldet.
Dennoch bleiben teils wilde Gerüchte. „Letztens sagten Anwohner sogar, Taliban würden dort säckeweise Rauschgift verstecken.“ Dass Roma mitnichten stets große Probleme bedeuten, habe sich in Hochheide gezeigt. Duisburg brauche jedoch mehr seriöse Vermieter, und die Osteuropäer dürften nicht alle auf einem Fleck wohnen.
Quelle: WAZ
Stand: 05.09.2013
„We are Champions, too! Roma und Sinti im Sport“
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
hiermit laden wir Sie herzlich zu der Tagung „We are Champions, too! Roma und Sinti im Sport“ am Freitag, 27. September 2013, 10 Uhr im NS-Dokumentationszentrum, Köln ein.
Sport bietet vielfältige Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Inklusion von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Gleichzeitig ist der Sport aber ein Bereich, in dem sich Rassismus und Antiziganismus in unterschiedlichen Dimensionen entfalten. Sie reichen von weit verbreiteten Vorurteilen über neonazistische Hetzparolen bis hin zur Gewalt. Welche Wechselwirkungen zwischen der Mitte der Gesellschaft und dem „rechten Rand“ finden sich im Sport? Welche Ausgrenzungsmechanismen gegen die Minderheit werden sichtbar, und was sind die Hintergründe? Wie gehen Minderheiten damit um? Welche positiven Vorbilder gibt es im Sport, und welche Funktion kann er für die Identitätsbildung und Selbstbehauptung von Sinti und Roma einnehmen? Diese und andere Fragen sollen auf der Tagung diskutiert werden. Die Veranstaltung richtet sich an MultiplikatorInnen aus Sport, Vereinen, Schulen, Politik, Verwaltung, Bildungs-, Sozialarbeit, Wissenschaft, Medien und an die interessierte Öffentlichkeit.
Um eine verbindliche Anmeldung bis zum 18. September 2013 per Brief, E-Mail oder Fax wird gebeten:
NS-Dokumentationszentrum/Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus
Appellhofplatz 23-25
50667 Köln
[email protected]
Telefon: 0221/221-26332
Telefax: 0221/221-25512
Ansprechpartner: Hans-Peter Killguss
NPD-Hetze gegen Roma: Zentralrat fordert Verbot
Seit Wochen warnen Innenpolitiker vor “Armutsflüchtlingen” aus Bulgarien und Rumänien. Die NPD ist längst auf diesen Zug aufgesprungen, hetzt gegen “kriminelle Zigeuner” und fordert auf Wahlplakaten, kein Geld für Roma zu zahlen. Auch Pro Deutschland geht gegen “Zigeuner” auf die Straße. Der Zentralrat der Sinti und Roma fordert derweil die Regierung zum Handeln gegen die Hetze auf.
In einem Schreiben an Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, von der Bundesregierung gesetzliche Schritte zum Verbot diskriminierender Wahlwerbung gefordert. Es müsse im Bundeswahlgesetz und den Wahlgesetzen der Länder eine ausdrückliche Rechtsgrundlage dafür geben, dass künftig Wahlwerbe-Mittel wie Plakate, Flyer u.a., die sich gezielt gegen Minderheiten richten und sie pauschal aufgrund der Abstammung diskriminieren, auf Kosten der Betreiber unverzüglich aus dem Verkehr gezogen werden, forderte der Zentralrat.
Der Zentralratsvorsitzende hob in seinem Schreiben hervor, dass in Anbetracht des hohen Gutes der Meinungsfreiheit gerade in Wahlkämpfen klare Maßnahmen vorgesehen werden müssten, wenn – wie hier – die Grenzen demokratischer und sachlicher Auseinandersetzungen überschritten werden. Es könne über 60 Jahre nach dem Holocaust nicht mehr zugelasssen werden, dass Angehörige einer Minderheit aufgrund ihrer bloßen Abstammung gesellschaftlich ausgegrenzt werden. Der Zentralratsvorsitzende betonte, dass derart rechtsstaats-feindliche Parteien und Praktiken in Deutschland keinen Platz mehr haben dürften.
Sinti und Roma sähen sich bei den derzeitigen Wahlkämpfen in Bund und Ländern einer Hetzkampagne durch die NPD und verwandte Gruppen („Pro NRW“) ausgesetzt, die es in diesem Ausmaß bisher nicht gab, schrieb Rose. Bundesweit würden Sinti und Roma tausendfach mit Plakaten und Flugblättern bedroht und diffamiert („Geld für die Oma statt für Sinti und Roma“, „Zigeunerflut stoppen!“ mit der Abbildung von Waffen, wie Pistole und Messer). Der Zentralrat habe in den letzten Tagen hunderte von Anrufen besorgter Sinti- und Roma-Familien aus ganz Deutschland erhalten, die wegen der entsprechenden NPD-Plakate, die auf den Schulwegen ihrer Kinder gerade in den kleineren Orten massiv plakatiert sind, emotional aufgebracht und unmittelbar betroffen sind. Diese öffentliche Aufhetzung durch die NPD löse bei den älteren Menschen, die den Holocaust überlebt haben, wieder massive Ängste aus, erklärte der Zentralratsvorsitzende. Bisher seien auch nach den vielen erstatteten Strafanzeigen die Behörden nur in einem einzigen Ausnahmefall tätig geworden, ansonsten herrsche eher Hilfslosigkeit und Unsicherheit vor. Aufgrund des volksverhetzenden Charakters dieser Wahlwerbung seien schon jetzt rechtliche Schritte zum Einschreiten möglich und erforderlich, schrieb Rose an die Bundesjustizministerin.
Derweil versucht “Pro Deutschland” weiter, von der Stimmung gegen Sinti und Roma zu profitieren. In Duisburg wollten die Rechtsradikalen heute aufmarschieren. Etwa 200 Menschen demonstrierten gegen die rassistische Hetze.
Quelle: Publikative.org
Stand: 29.08.2013
„Tschechische Löwen“ marschieren gegen Roma
Nicht nur in Berlin und Duisburg machen Nazis gegen Roma mobil – auch in der Tschechischen Republik mobilisierte die extreme Rechte in den vergangenen Wochen zu antiziganistischen Aufmärschen.
Nach den wöchentlichen romafeindlichen Pogromen in Nordböhmen vom Sommer 2011 (siehe z.B. http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/news/meldungen/antiziganistische-pogrome-tschechien) marschieren auch in diesem Sommer tschechische Nazis gegen den angeblichen „schwarzen Rassismus“ von Roma auf.
Gleich acht (teilweise nicht angemeldete oder genehmigte) Aufmärsche fanden am vergangenen Samstag statt. Die Kameradschaftsszene des „Svobodný odpor“ („Freier Widerstand“) hatte zu einem „Aktionstag gegen Zigeunerterror, Polizeigewalt und soziale Ungerechtigkeit“ aufgerufen. Landesweit gingen rund 2.500 Neonazis teilweise gemeinsam mit Bürger_innen gegen Roma auf die Straße.
700 Teilnehmende hatte allein der Aufmarsch im mährischen Ostrava (Ostrau); hier lieferten sich Nazis, die das Romaviertel angreifen wollten, heftige Straßenschlachten mit der Polizei, die Einsatzkräfte standen den Flaschen- und Steinwürfen zeitweise hilflos gegenüber. Genehmigt war der Aufmarsch nicht, da parallel bereits drei antirassistische Veranstaltungen angemeldet waren, wurde den Nazis lediglich eine Kundgebung zugestanden worden. 60 Rechte wurden schließlich festgenommen.
Nach Ostrau hat die erst im Juli gegründete Gruppe „Češti lvi“ („Tschechische Löwen“) um die bekannten Neonazis Pavel Sládek Matějný und Jiří Šlégr mobilisiert. Anfang des Jahres waren sie aus der extrem rechten „Dělnická strana sociální spravedlnosti“ („Arbeiterpartei der sozialen Gerechtigkeit“, DSSS) ausgetreten.
Weitere Aufmärsche und Kundgebungen gab es auch in Pilsen, Duchcov (Dux), Jičín (Jitschin), Brno (Brünn), Děčín (Tetschen), Varnsdorf und České Budějovice (Budweis).
In Budweis hatte es bereits im Juni antiziganistische Ausschreitungen gegeben, als an mehreren aufeinanderfolgenden Wochenenden jeweils hunderte Nazis ein hauptsächlich von Roma bewohntes Viertel angriffen. Auch am vergangenen Samstag musste die Polizei rund 80 Teilnehmende daran hindern, nach dem Aufmarsch noch in besagtes Viertel zu ziehen.
Zum Aufmarsch in Dux hat die DSSS mobilisiert. Auch dort gab es bereits im Juni einen Aufmarsch von Nazis und Bürger_innen gegen Roma, der in einem Angriff des Mobs auf eine antirassistische Kundgebung endete.
Auch in Budweis, Dux und Pilsen gab es Festnahmen. Erst nach 19:00 Uhr hatte sich der Polizei zufolge die Situation in allen Städten wieder beruhigt. In Dux soll es in der Nacht auf Sonntag noch Provokationen von Neonazis vor einem von Roma bewohnten Haus gegeben haben.
Der Ostrauer Oberbürgermeister Petr Kajnar glaubt nicht, dass Bewohner_innen der Stadt an den Angriffen beteiligt waren. Gegenüber dem Radiosender Český rozhlas sagte er: „Ich denke nicht, dass in Ostrau selbst eine besonders angespannte Lage herrscht. Die Rechtsradikalen sind von außerhalb hierhergekommen.“ Kajnars Vermutung deckt sich nicht mit den Einschätzungen der tschechischen Behörden. In seinem jüngsten Vierteljahresbericht attestierte der tschechische Inlandsgeheimdienst BIS, die „Normalbürger“ seien ein größeres Sicherheitsrisiko als die „Extremisten“.
Für den Herbst und Winter haben die „Tschechischen Löwen“ bereits weitere Aufmärsche angekündigt.
Quelle: Publikative.org
Stand: 28.08.2013