Alle für eine: Tausende Gymnasiasten protestieren in Paris gegen die Abschiebung einer 15-jährigen Kosovarin. An 20 Schulen blockierten die Jugendlichen die Eingänge und zogen mit Spruchbändern zum Innenministerium. Das Mädchen war während eines Schulausflugs von der Polizei abgeholt worden.
Aus Mülltonnen bauten sie Blockaden, auf Plakate schrieben sie ihre Forderungen, zum Protest reckten sie die Fäuste in die Luft: Tausende Pariser Gymnasiasten demonstrierten am Donnerstag in Paris gegen die Abschiebung einer 15-jährigen Kosovarin. An rund 20 Gymnasien der französischen Hauptstadt blockierten Schüler die Eingänge, wie die Schulbehörde mitteilte.
Die Jugendlichen zogen zu einer Demonstration an der Place de la Nation und von dort aus weiter zum Innenministerium. Es kam zu vereinzelten Zwischenfällen, die Polizei setzte dabei Tränengas ein. Die Demonstranten riefen unter anderem „Valls raus!“. Auslöser der Proteste war die Abschiebung der 15-jährigen Leonarda Dibrani; Frankreichs Innenminister Manuel Valls werfen die Demonstranten vor, unmenschlich entschieden zu haben.
Die Familie des Mädchens kommt aus dem Kosovo und lebte seit mehreren Jahren in Ostfrankreich. Der Asylantrag der Familie war abgelehnt worden, die Dibranis sollten abgeschoben werden. Laut Innenministerium habe sich die Familie wiederholt geweigert, das Land zu verlassen. Also wurde der Vater am 8. Oktober festgenommen und ausgewiesen. Auch die Mutter, Leonarda und ihre Geschwister sollten am Tag darauf folgen.
Schüler protestieren gegen Abschiebungen von Mitschülern
Tochter Leonarda befand sich an dem Tag der geplanten Abschiebung jedoch auf einem Schulausflug. Polizisten fingen den Bus mit den Schülern ab und nahmen, so das Innenministerium, das Mädchen „in Empfang“. „Sie weinte, sie war unglücklich“, schildert Aktivist Jean-Jacques Boy, der sich für die Rechte von Migrantenfamilien einsetzt. Mutlos habe Leonarda den Bus verlassen, auch die anderen Kinder und Lehrer habe der Vorgang bewegt.
Der Vorfall ereignete sich schon am 9. Oktober, wurde aber erst diese Woche bekannt. Der Protest der Pariser Schüler richtet sich nicht nur gegen die Abschiebung Leonardas, die Jugendlichen forderten auch die Rückkehr eines vor kurzem in sein Heimatland Armenien abgeschobenen Gymnasiasten. Auch in anderen französischen Städten gingen Schüler auf die Straße.
„Es geht darum, für eine Rückkehr abgeschobener Gymnasiasten mobil zu machen“, sagte ein Schülervertreter. „Es ist nicht hinnehmbar, dass jemand unter einer Linksregierung seine Papiere vorzeigen muss, um ins Gymnasium zu können. Jeder hat ein Recht auf Bildung.“
Innenminister Valls geriet wegen des Vorgehens der Behörden auch unter Beschuss aus den eigenen Reihen. Der sozialistische Parlamentspräsident Claude Bartolone mahnte, seine Partei drohe ihre „Seele“ zu verlieren. Bildungsminister Vincent Peillon sagte, die Schule müsse „unantastbar“ bleiben. Die Linkspartei forderte gar den Rücktritts Valls‘, der bereits vor wenigen Wochen für Empörung gesorgt hatte, als er den Integrationswillen der meisten in Frankreich lebenden Roma anzweifelte. Valls betonte, bei der Abschiebung seien „Recht und Personen respektiert“ worden, ordnete aber zugleich eine behördliche Untersuchung des Vorgangs an.
Quelle: Spiegel Online
Stand: 17.10.2013