Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma gibt zusammen mit dem Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, beide mit Sitz in Heidelberg, neuerdings halbjährlich das Magazin „Newess“, zu Deutsch „Neues, heraus. Die Ausgabe 2/2012 vom August 2012 des Magazins ist farbig, hat 50 Seiten und eine Auflage von 6.500 Exemplaren.
In dieser Ausgabe kann man erfahren, dass das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma im Nationalsozialismus über 67 Jahren nach Ende des Nationalsozialismus am 25. Oktober 2012 offiziell eröffnet wird.
Außerdem erfährt man von dem Museum für Roma-Kultur in Brno (Tschechien).
Im Bericht über die diesjährige Verleihung des Europäischen Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma in Berlin wird Thomas Hammarberg, der Preisträger und Menschenrechtskommissar des Europarats wie folgt zitiert: „Alle Verantwortlichen müssen die tief sitzenden Vorurteile und Stereotypen und den Antiziganismus, Diskriminierung und Gewalt gegen Sinti und Roma bekämpfen.“
Es findet sich auch ein Bericht über die Lage in Rumänien, wo in den Medien ausdrücklich die ethnische Herkunft von Straftätern genannt wird. Die so produzierten „Zigeuner“-Schlagzeilen verkaufen sich offenbar besonders gut.
Ein Einzelbeispiel für die Situation in Rumänien ist die Umsiedlung am 1. Juni 2012 in der Stadt Baia Mara von einigen hundert Roma mit Gewalt in eine ehemalige Chemiefabrik, auch genannt „Todeswerk“, auf Geheiß des Bürgermeisters Catalin Chereches. Ergebnis war, dass 22 Roma-Kinder und zwei Erwachsene Vergiftungen durch Chemikalien erlitten. Die Mutter des Bürgermeisters, eine Ärztin, versuchte anschließend die Beweise zu beseitigen. Trotzdem wurde der Bürgermeister am 10. Juni mit 86% aller Stimmen wiedergewählt. Derselbe Bürgermeister ließ bereits Mauern zwischen den Siedlungen von Roma und Nicht-Roma errichten.
Doch so weit muss man für Beispiele für Antiziganismus gar nicht gehen. In der aktuellen Ausgabe von „Newess“ wird auch das antiziganistische Cover des rechtsnationalen Magazin „Weltwoche“ aus der Schweiz erwähnt. Dieser sei ein „besonders schwerer Fall von Minderheitenkennzeichnung“. Aufmacher der antiziganistischen Titelgeschichte war ein manipulativ als Titelfoto instrumentalisiertes Foto eines Roma-Jungen im Kosovo mit Spielzeug-Pistole gewesen.
Im Bericht über einen Vortrag von Klaus-Michael Bogdal über Antiziganismus als „Abwehrprogramm“ ist davon die Rede, dass sich der „jahrhundertealte Hass in einem Spannungsverhältnis von Faszination und Verachtung bis heute erhalten konnte.“
Das Magazin „Newess“ kann kostenlos bestellt werden, Kontakt unter www.sintiundroma.de
Getroffene Hunde bellen!
Auf diesem Blog gaben bereits mehrmals Antiziganist_innen Kommentare ab. Wir bedanken uns herzlich für diese Aufmerksamkeit, die uns in unserer Arbeit noch einmal ausdrücklich bestätigt.
Wer Kommentare wie „Gute Idee mit dem Zigeunerbesen! Scheiß Zigeuner raus und euch Ziganismus-Idioten gleich hinterher!“ oder „Antiziganismus* ist der Unwille, sich penetrant anschnorren oder beklauen zu lassen. Mehr oder minder alberne Neologismen kommen meist von den Kohnnationalen [Anmerkung: „Kohn“ ist ein bekannter jüdischer Name, in diesem Fall offenbar der Bestandteil einer Vokabel aus antisemitischen Verschwörungsfantasien]…“ verfasst, der zeigt, dass wir uns diesen Hass ehrlich verdient haben.
In diesem Sinne: Dankeschön!!! Küsst die Antiziganist_innen da wo ihr sie trefft!
Ausschreitungen: Neonazis in Ungarn fordern Todesstrafe in Roma-Siedlung
Am Sonntag hielt die neofaschistische Partei Jobbik im westungarischen Devecser eine Manifestation für die Einführung der Todesstrafe ab. Rund 1.000 Anhänger und Aktivisten der Partei versammelten sich unter dem Motto „Leben und leben lassen – Wir fordern die Zulassung der Selbstverteidigung…“. Nach einer Kundgebung im Ortszentrum „marschierten“ die Demoteilnehmer demonstrativ zur örtlichen Romasiedlung. Dort wurde in bekannter Manier die „Wiederherstellung von Frieden, Recht und Sicherheit“ gefordert, natürlich „ohne rassenorientierte Diskriminierung“. Noch vor wenigen Tagen forderten Jobbik-Abgeordnete eine rassische Kategorisierung von Straftätern. Redner rechtfertigten die „Wiedereinführung der Todesstrafe“ mit einer „gestiegenen Kriminalitätsrate“. Trotz eines hohen Polizeiaufgebotes kam es zu Zusammenstößen, Steine flogen zwischen den Neonazis und den Roma-Anwohnern hin und her, es gab mehrere Verletzte, darunter auch der Mitorganisator der Jobbik Ferenczi.
Die Einführung der Todesstrafe ist eine zentrale Forderung der Partei, kürzlich gab es dafür anlassbedingt auch Zustimmung aus – noch anonymen – Kreisen des Fidesz. Eine Einführung würde jedoch klar gegen EU-Recht verstoßen und gilt daher zumindest als unwahrscheinlich.
Quelle: Pester Lloyd
Stand: 07.08.2012
“Zick zack Zigeunerpack” – Rassismus gegen Sinti und Roma heute
Heute jährt sich der Gedenktag für die ermordeten Sinti und Roma. Während Sie diesen Text lesen, besucht eine 70-köpfige Delegation des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma mit den noch wenigen Holocaust-Überlebenden das ehemalige Lager Auschwitz-Birkenau.
Sie gedenken am der Opfer des systematischen und rassistisch motivierten Völkermords an den Sinti und Roma. In Auschwitz-Birkenau sind ganze Familien der Sinti und Roma separiert von anderen KZ-Häftlingen interniert worden. Das Lager sollte am 15. Mai 1944 komplett aufgelöst und die noch verbliebenen Familien ermordet werden. Die Inhaftierten weigerten sich jedoch, aus ihren Baracken herauszukommen. Denn in ihren Reihen befanden sich Sinti und Roma, die in der Wehrmacht gedient hatten und den Plan durchschauten. Verunsichert von der Situation, unterbrachen die SS-Männer ihr Mordvorhaben. Stattdessen entschied sich die Lagerleitung für eine schrittweise Auflösung. Zunächst wurden die ehemaligen Wehrmachtsangehörigen nach und nach in andere Lager deportiert. Die verbliebenen Menschen wurden in der Nacht vom 2. August zur Ermordung in die Gaskammer getrieben. Daher hat dieser Tag den Status eines Gedenktages. Continue reading “Zick zack Zigeunerpack” – Rassismus gegen Sinti und Roma heute
Schweinefarm blockiert Mahnmal für Sinti und Roma
Premier Necas erklärt kurz vor dem Gedenktag für ermordete Sinti und Roma, man habe kein Geld für ein Mahnmal. Dass Tschechen ein Konzentrationslager in Lety betrieben, ist bis heute ein Tabu.
Sie hatten nichts anderes erwartet, die wenigen politisch engagierten Roma in Tschechien. Dennoch hinterlässt die Absage von Premier Petr Necas so kurz vor dem 2. August bei ihnen Bitterkeit. Jenes Datum bleibt für das Minderheitenvolk in ganz Europa unauslöschlich. In der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 wurden in Auschwitz die letzten 2900 Sinti und Roma, die bis dahin überlebt hatten, in die Gaskammern getrieben. Insgesamt ermordeten die Nationalsozialisten vermutlich eine halbe Million von ihnen.
Kurz vor diesem furchtbaren Jahrestag nun verkündete Necas, dass es auch unter seiner bürgerlichen Regierung keine Lösung für ein würdiges Gedenken an das Schicksal der Inhaftierten im früheren Roma-Konzentrationslager in Lety geben wird. Continue reading Schweinefarm blockiert Mahnmal für Sinti und Roma
Sie wollten nicht kampflos sterben
GEDENKEN
Über den Widerstand deutscher Sinti und Roma gegen den Naziterror ist noch wenig bekannt. Romani Rose erinnerte zum 20. Juli an den Aufstand im „Zigeunerlager“ Auschwitz-BirkenauDer Widerstand gegen die Nazis wurde in der deutschen Nachkriegsgesellschaft lange beschwiegen. Auch der Widerstand von Sinti und Roma. „Viele von uns kannten die Aufstände von Sobibor und Treblinka“, sagte am Donnerstag Johannes Tuchel, der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Der bewaffnete Aufstand vom 16. Mai 1944 im „Zigeunerlager“ Auschwitz-Birkenau aber sei in Vergessenheit geraten. Deswegen hat die Gedenkstätte Deutscher Widerstand den Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, eingeladen, anlässlich des 68. Jahrestags des Umsturzversuchs vom 20.
Juli 1944 über den Widerstand von Sinti und Roma zu sprechen. Rund 120 Interessierte sind in die St.-Matthäus-Kirche gekommen.„Von Anfang an haben Sinti und Roma versucht, sich gegen Entrechtung und Ausgrenzung zur Wehr zu setzen“, sagt Rose. „Sie konnten nicht begreifen, dass sie von Bürgerrechten ausgeschlossen waren.“ 36.000 „Rassegutachten“ der Rassenhygienischen Forschungsstelle bildeten die Grundlage für die systematische Ermordung von Sinti und Roma. Die Kirchen überließen die Daten und Stammbäume ihrer Mitglieder bereitwillig den Nazis. „Selbst sogenannte Achtelzigeuner wurden erfasst.“ Rose zitiert aus Dokumenten, die die Verweigerung der Erfassung belegen, das Aufbegehren gegen Schulverbot und Zwangssterilisation, Fluchthilfe, das Leben im Untergrund. „In diesen Zeugnissen spiegelt sich die systematische Ausgrenzung von uns aus nahezu allen Bereichen“, sagt Rose.
Mit den Nürnberger Gesetzen wurde auch Sinti und Roma die Heirat mit von den Nazis als arisch Eingestuften untersagt. Christine Lehmann, deren Familie 1940 nach Polen deportiert worden war, lebte mit einem „arischen“ Deutschen zusammen. Sie wurde verhaftet, tauchte unter, wurde wieder verhaftet. Die Nazis ermordeten sie und ihre Kinder in Auschwitz.
Im Zweiten Weltkrieg intensivierten die Nazis ihre Mordpolitik. Tausende wurden zur Zwangsarbeit nach Polen verschleppt. Nur wenige konnten fliehen. Zeitgleich machten Einsatzkommandos in der Sowjetunion Jagd auf Sinti und Roma: „Ganze Viertel wurden so ausgelöscht.“
Über den bewaffneten Widerstand von Sinti und Roma – in der Résistance, bei den Partisanen, in der Roten Armee – ist wenig bekannt. Der Aufstand im sogenannten Zigeunerlager Auschwitz-Birkenau aber ist gut belegt. Rose bezeichnet ihn als „Höhepunkt“ des Widerstands. 23.000 Sinti und Roma waren in das Lager deportiert worden. Ein SS-Mann hatte verraten,
dass die Liquidierung des Lagers bevorstand. Und als am 16. Mai 1944 die SS anrückte, waren die Häftlinge – viele von ihnen ehemalige Soldaten mit Fronterfahrung – vorbereitet. Sie warteten in ihren verriegelten Baracken, bewaffnet mit Schaufeln, Stöcken und selbst geschliffenen Messern. „Ich selbst besaß ein Messer. Wir wollten nicht kampflos in die Gaskammer gehen“, heißt es im Bericht des Aufständischen Willi Ernst.Es geschah das Unglaubliche: Die SS brach, wohl aus Angst vor eigenen Verlusten, die Aktion ab. Bis heute ist dies für die überlebenden Sinti und Roma bedeutend. „Sie gingen nicht wie die Schafe zur Schlachtbank“, sagt Romani Rose.
Immer wieder an diese vergessene Episode des Widerstands zu erinnern, ist besonders wichtig. Schließlich dauerte es Jahrzehnte, bis Deutschland den NS-Völkermord an einer halben Million Sinti und Roma überhaupt anerkannte.
Quelle: TAZ
Stand: 30.07.2012
Ausländerbehörde greift durch: Abschiebung aus dem Feriencamp
Eine Hamburger Behörde will eine Roma-Familie abschieben. Die Mutter soll durch Wegnahme des Babys genötigt worden sein, den Aufenthaltsort der Geschwister preiszugeben.
Die 12-Jährige Dvevrija Aliji sitzt gerade in den Dünen der nordfriesischen Insel Föhr am Lagerfeuer. Das Roma-Mädchen ist mit ihren kleineren Schwestern Sibela (11), Nazira (9) und Sajda (7) ins Sommercamp der SPD-nahen Jugendorganisation „Die Falken“ gereist. Sie singen Lieder der Arbeiterbewegung und der Hoffnung. „Sie sangen gerade ’Unter dem Pflaster, ja da liegt der Strand‘, als um 20.30 Uhr mein Handy klingelte“, berichtet der Landeschef der Hamburger Falken, Tilmann Dieckhoff.
Eine Mitarbeiterin der Hamburger Ausländerbehörde ist in der Wohnung der Alijis, will den Aufenthaltsort der vier Mädchen wissen und fordert, dass sie zur Abschiebung abholbereit sein sollen. „Allein die Tatsache, dass die Kinder nicht mehr mit der Fähre ans Festland gebracht werden konnten, verhinderte vermutlich die Abschiebung aus dem Ferienlager“, sagt Dieckhoff. Continue reading Ausländerbehörde greift durch: Abschiebung aus dem Feriencamp
Rassismus in Norwegen: Zurück zum Hass
Ein Jahr nach den Breivik-Morden grassiert in norwegischen Zeitungen und Internetforen Hassrethorik. Ziel ist eine Gruppe von etwa 200 Roma, die in Oslo betteln.
„Das ist Völkermordrhetorik. Man muss das einfach mal beim Namen nennen“, sagt Claudia Lenz vom norwegischen Menschenrechtsforschungszentrum. Sie schreckt auch nicht vor drastischen Vergleichen zurück: „Das ist eine Rhetorik, die einer ganzen Gruppe die Menschenrechte schlichtweg absprechen will.“
Gemeint ist eine Gruppe von etwa 200 rumänischen Roma, die in Oslo betteln. Das ist nicht verboten und das haben sie in vergangenen Jahren auch getan. Doch dieses Jahr scheint das für viele völlig unerträglich zu sein. Laut einer Umfrage wollen drei von vier NorwegerInnen Betteln verbieten.
Der konservative Hauptstadtbürgermeister Fabian Stang reagierte darauf gleich positiv. Doch ein Kommentar in der Zeitung Dagsavisen fragte bestürzt: „Sind wir Norweger nun schon so weit, dass wir Arme hassen? War nicht Solidarität ein Grundstein unserer Gesellschaft – und wo ist sie, wenn sie wirklich gebraucht wird.“
Am kommenden Sonntag wird Norwegen sich zum Jahrestag der Terroranschläge vom 22. Juli offiziell als Nation präsentieren, die geschlossen Hass und Rassismus ablehnt. Gleichzeitig ist das Internet in sozialen Foren und in den Kommentarspalten der Zeitungen voller Hassrhetorik: „Ratten!“, „Zigeuner sind nicht Menschen, sondern Müll“, „Ich helfe gerne, den Knoten für die Schlinge zu knüpfen“.
Verstöße gegen Ordnungsvorschriften
„Die Norweger wollen wohl weniger das Betteln, als die Roma verbieten“, meint ein anderer Kommentar. Schuld daran sei neben den Medien nicht zuletzt die Polizei. 68 von 69 kontrollierten Roma hätten sich als „kriminell“ erwiesen, berichtete beispielweise die Osloer Polizeiführung. Neben tatsächlichen vereinzelten Ladendiebstählen waren aber ganz überwiegend Verstöße gegen Ordnungsvorschriften wie „unerlaubtes Zelten“, „aggressives Betteln“ oder „Urinieren an öffentlichen Plätzen“ gemeint.
Auch die Politik schürt die Konflikte, weil sie es unterließ, den Roma einen Platz für ihr Zeltlager zuzuweisen. Als diese daraufhin in städtischen Parks nächtigten, wurde die Polizei eingesetzt, um sie zu vertreiben. Vergangene Woche besetzten die Roma daraufhin den Park um die Sofienbergs-Kirche mitten in Oslo.
Die Kirche erklärte sich bereit, diese Besetzung für einige Tage als „politisches Signal“ zu dulden, bat die Roma aber dann, zum Wochenende das Grundstück wieder zu verlassen. Am neuen Lagerplatz, den die Behörden den Roma zuwiesen, protestierten prompt dortige AnwohnerInnen. „Wir wollen die hier nicht haben“, hieß es.
Der ehemalige liberale Justizminister Odd Einar Dørum zeigte sich bestürzt. „Man stellt ohne den geringsten Beweis Kriminalität und Armut gleich, man spricht Menschen den Wert ab, nur weil sie anders gekleidet sind.“ Und weiter fragte Dorum: „Wir haben uns doch gegenseitig Offenheit und Respekt versprochen. Ist das denn nach einem Jahr schon wieder alles vergessen?“ Auch der stellvertretende Vorsitzende der Linkssozialisten Bård Vegar Solhjell stimmte in die Kritik ein: „Eine Woche vor dem 22. Juli: Habt ihr etwas gelernt oder nicht?“
„Deportation“ lautet das Rezept von Siv Jensen, Vorsitzender der „Fortschrittspartei“: „Alle in Busse und ab damit.“ Die Rechtspopulisten haben das „Breivik-Tief“ überwunden. Statt einem Stimmenanteil von 11 Prozent wie bei der Kommunalwahl vor zwei Monaten ist die ausländerfeindliche Partei nun für mehr als 20 Prozent der NorwegerInnen wieder erste Wahl.
Quelle: taz.de
Stand: 16.07.2012
»Der Antiziganismus wird geschürt«
In Europa leben zehn bis zwölf Millionen Roma und Sinti. Immer noch sind sie meist ökonomisch und sozial benachteiligt, Antiziganismus ist weit verbreitet. Die Jungle World sprach mit Vasile Marian Luca über die Integrationsbemühungen der EU und die Lebensbedingungen von Roma und Sinti. Luca ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Zentralrat Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg und Experte für europäische Politik.
Haben sich die Lebensbedingungen für Sinti und Roma seit der Annäherung Osteuropas an Westeuropa verbessert?
Die EU-Osterweiterung eröffnete vielen osteuropäischen Bürgern die Möglichkeit, in den westeuropäischen Ländern besser bezahlte Arbeit aufzunehmen. Die Migration der Roma aber rief in Ländern wie Spanien, Italien, Frankreich und sogar Deutschland mediale und soziale Diskriminierung hervor und führte zu Abschiebungen zurück in prekärste Verhältnisse.
Heute hat sich die Situation der Roma in Europa deutlich verschlechtert. Das hängt hauptsächlich mit den jeweiligen Nationalregierungen zusammen, die das Geld, das sie vom EU-Förderfonds erhalten, nicht wirklich für Roma einsetzen. Die Folgen des Zusammenbruchs der kommunistischen Regime waren in manchen osteuropäischen Ländern, vor allem in Rumänien, katastrophal. Schwache Zivilgesellschaften und der Kollaps der Wirtschaft waren schlichtweg nicht von heute auf morgen zu überwinden. In Sachen Demokratisierung ist vor allem Rumänien ein Negativbeispiel. Continue reading »Der Antiziganismus wird geschürt«
Aufnahme gegen Rücknahme
Der Kosovo und die EU nähern sich an. Dazu werden unter anderem Roma aus der EU abgeschoben.
»Wir werden hart daran arbeiten«, versicherte Vlora Çitaku, die kosovarische Ministerin für Europäische Integration, vergangene Woche in Brüssel. Die Europäische Kommission hatte der Regierung des Kosovo am Donnerstag vergangener Woche einen Katalog mit 95 Kriterien übergeben, die erfüllt werden müssen, damit Bürgerinnen und Bürger des Kosovo in Zukunft ebenso wie Angehörige anderer Balkanländer ohne Visum in die EU einreisen dürfen. Die Bevölkerung des Kosovo mag sich über die lang ersehnte Reisefreiheit, sollte sie tatsächlich zustande kommen, freuen. Für dort lebende Roma wird sich bis dahin an der Diskriminierung, die sie erfahren, aber wohl kaum etwas ändern, auch wenn unter anderem die Wahrung von Grundrechten zu den genannten Kriterien gehört.
Nach Schätzungen des Roma- und Aschkali-Dokumentationszentrums vom August 2009 erreicht die Arbeitslosenrate von Roma im Kosovo im Durchschnitt 90 Prozent und mehr. In einem Bericht vom Mai 2010 nannte Amnesty International dies als einen Aspekt der strukturellen Diskriminierung, der im Kosovo lebende Roma ausgesetzt seien. Sie werden zudem in den Bereichen Gesundheitsversorgung, Wohnrecht und behördlicher Registrierung stark benachteiligt. Continue reading Aufnahme gegen Rücknahme