Larry
Einige Anmerkungen eines Genossen aus den USA, die das lärmende analytische Schweigen fast der gesamten linken und anarchistischen Galaxy der USA zu Trumps Wahlerfolg und den Folgen davon übertönt. Erneut rächt sich der Abschied eben jener Galaxien, nicht nur in den USA, von jeglicher materialistischer Gesellschaftsanalyse. Ebenso ins Stammbuch geschrieben sei die (nicht neue) Erkenntnis, dass die wirkliche Begrenzung von Trumps Politik durch die Interessen der Finanzmärkte definiert wird. Was immer wieder gerade von italienischen Gefährten in den letzten Monaten gesagt wurde. Aber wahrscheinlich hat die historische Linke und die subkulturelle anarchistische Galaxy sich schon völlig an die Vereinfachung der kapitalistischen Macht – und Gewaltverhältnisse in moralischen Kategorien gewöhnt, wenn man nicht mehr wirklich als antagonistischer Gegenspieler auftritt, bleibt halt auch nur noch das moralische Opfer Mimimi.
Bonustracks
1) Die Vereinigten Staaten erleben eine politische (nicht soziale oder wirtschaftliche) Revolution von großem Ausmaß, sicherlich die größte seit zumindest dem New Deal. Das amerikanische System war bereits sehr präsidial geprägt, aber die derzeitige Konzentration der Macht in den Händen der Exekutive tendiert dazu, die anderen Instanzen – den Kongress, die Gerichte und sogar den Obersten Gerichtshof – auf eine im Wesentlichen dekorative Rolle zu reduzieren.
2) Das berühmte System der Gegengewichte („checks and balances“), auf das die Amerikaner so stolz sind, ist zwar nicht verschwunden, aber es läuft auf Sparflamme. Es sind zwar einige Gerichtsverfahren im Gange, die zu einem kurzfristigen Aufschub von Entlassungen geführt haben, aber das fällt nicht sehr stark ins Gewicht. Was den Kongress betrifft, der wird zwar von den Republikanern dominiert, aber seine Mitglieder sollten theoretisch ihre Vorrechte verteidigen (z. B. das Recht, die Existenz, die Rolle und die Zusammensetzung der Ministerien und anderer Einrichtungen des Bundesstaates zu bestimmen), nur verhalten sie sich passiv – oder sogar als Komplizen. Im Übrigen sei daran erinnert, dass die „Gründerväter“ entgegen der landläufigen Meinung ein solches System der Streuung/Multiplikation von Machtinstanzen keineswegs zum Schutz der Rechte des Volkes geschaffen haben, sondern im Gegenteil, um die Institutionen der jungen Republik vor Volksaufständen zu sichern.
3) Die Verbindung zwischen einem Teil der Tech-Branche und der rechten MAGA (Make America Great Again) mag zwar abwegig klingen, ist es aber nicht. Bei den Präsidentschaftswahlen der letzten Jahre haben die Demokraten die Republikaner in Bezug auf die Beschaffung von Wahlkampfspenden überholt. Nebenbei sei angemerkt, dass diese Tatsache, auf die die linken Medien selten hinweisen, die These von der Oligarchie, die unter Trump plötzlich die Macht übernommen hat, erschüttert. Denn das Großkapital wie auch die sehr wohlhabenden Bevölkerungsschichten bevorzugen in der Regel vernünftige und berechenbare Volksvertreter. Doch eine Reihe von Problemen, die zwar nicht grundlegend, aber für die Wirtschaft dennoch lästig sind – die Regulierung der Tech-Branche, der Meinungsäußerung in sozialen Netzwerken und der IEDs [1] – haben Trump und seinem Team die Möglichkeit gegeben, einen Teil dieser Branche, der zuvor dem „progressiven“ Lager treu war, zu umgarnen. Der Libertäre Peter Thiel, Pate von J. D. Vance und Gründer von PayPal, war die Schlüsselfigur bei dieser Annäherung.
Es handelt sich nicht um einen Sektor, der sich in einer Krise befindet oder an Bedeutung verliert, ganz im Gegenteil: Im Gegensatz zu denen, die Hitler in Deutschland finanzierten, sind hier die großen Gewinner der Transformationsprozesse der letzten Jahrzehnte am Werk. Dies lässt im Übrigen die Grenzen des Vergleichs mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus deutlich werden. Der nicht zu unterschätzende Background ist hingegen die Rivalität mit China, die alle großen Figuren der amerikanischen Tech-Branche fest im Blick haben.
4) Das bringt uns zu Elon Musk, der Trump im Vorfeld der Wahl fast 290 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt hat. Dies erklärt zum großen Teil den roten Teppich, den er ihm ausrollt. Er ist jedoch keine typische Silicon-Valley-Größe. Er ist in erster Linie ein Ingenieur, der von seinen Kollegen allgemein anerkannt wird, von eher einfacher Herkunft ist, sich auf die materielle Produktion konzentriert (die anderen sind größtenteils „Investoren“, die Monopole errichten wollen) und … eine, sagen wir mal, ziemlich pathologische Persönlichkeit hat. Seine Vorgehensweise – erst zerschlagen, dann sehen, was dabei herauskommt – ist eng mit seiner Erfahrung als Ingenieur verknüpft. Und im Gegensatz zu den anderen ist er nicht besonders an Geld interessiert, was ihn irgendwo sogar noch gefährlicher macht. Er ist eher größenwahnsinnig als geldgierig.
5) Nur Wasser im Tank. Tesla ist in Schwierigkeiten, teilweise sicher, weil Musks politische Possen (Hitlergruß, Unterstützung der AFD in Deutschland usw.) das Image seiner Fahrzeuge beschädigt haben, aber viel grundsätzlicher, weil es den Anlegern immer schwerer fällt, daran zu glauben. Der Aktienkurs von Tesla, der kurz nach der Wahl Trumps einen Höchststand erreicht hatte, fällt nun ins Bodenlose, da die Bücher des Unternehmens Verluste ausweisen. Gleichzeitig hat der chinesische Konkurrent BYD seine Umsatzprognose für 2024 um fast 20 % übertroffen. Darüber hinaus wurde Musk, dieser Meister der Jagd nach Verschwendung auf Bundesebene, unter Biden (und im Namen der Energiewende) mit Subventionen begossen, die unter dem Einfluss der weitgehend vorherrschenden Strömung in der Republikanischen Partei, nämlich derjenigen, die auf Erdöl und Erdgas schwört, in die Luft gejagt werden.
6) Real ist das Risiko einer Niederlage der Republikaner bei den Zwischenwahlen (im Jahr 2026), insbesondere wenn die chaotische Politik der Entlassungen und der Desorganisation der Bundesbehörden, die von Musks DOGE [2] betrieben wird, ungehindert weitergeht. In vielen Wahlkreisen müssen die republikanischen Abgeordneten bereits in öffentlichen Versammlungen vor aufgebrachten Bürgern Rede und Antwort stehen. Sind sie bereit, ihren Sitz im Namen der ideologischen Mobilisierung hinter Trump zu opfern? Das wird sich zeigen…
7) Und die Reaktionen der Bevölkerung in diesem Zusammenhang? Es gab einige, aber sie scheinen mir recht schwach zu sein. Zunächst sei daran erinnert, dass Trump im Gegensatz zu den Wahlen von 2016, die er dank des Wahlmännersystems gewann, obwohl er nicht die Mehrheit der Stimmen erhielt, und 2020, die er verlor, was ihn zu einem als Volksaufstand getarnten Putschversuch veranlasste, bei der Wahl von 2024 die absolute Mehrheit der Stimmen erhielt. Angesichts der gewaltigen Wahlkampfspenden der Demokratischen Partei, der zahlreichen Verfahren gegen Trump und der Warnungen vor der faschistischen Gefahr hat sein Sieg das „progressive“ Lager sprachlos gemacht. Die Partei, die die materiellen Interessen, aber vor allem die kulturellen Referenzen der oberen Mittelschichten und der aufstrebenden Schichten innerhalb der „ethnischen Minderheiten“ vertritt, hatte sich eingeredet, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die 80 % der Einwohner des Landes unter Präsident Biden hatten, und ihre geringe Vorliebe für Woke-Werte und Identitätsfragen keinen Einfluss auf den Ausgang der Wahl haben würden. Kurzum, das Schema Arbeiter = links und bürgerlich = rechts hatte in diesem Kontext nicht die geringste Relevanz.
Wir sind also weit entfernt von den großen Demonstrationen nach Trumps erstem Wahlsieg 2016, ganz zu schweigen von der Bewegung gegen Polizeigewalt nach dem Tod von George Floyd oder gar von Occupy Wall Street (alles Bewegungen, die mich hungrig zurückgelassen hatten, aber das ist eine andere Sache). Wie Marx in Der Achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte über die französische Bauernschaft sagte, haben wir es eher mit einer atomisierten Gesellschaft zu tun, die einem Sack Kartoffeln gleicht: keine wirkliche Verbindung zwischen den Kartoffeln, aus denen er sich zusammensetzt.
Dennoch, hier eine unvollständige Liste der Aktionen: Schon früh gingen Schüler in Los Angeles mehrere Tage hintereinander auf die Straße, um gegen die drohende Abschiebung von Immigranten zu protestieren; am 19. Februar organisierte eine neue Gewerkschaftsgruppierung, das Federal Unionist Network, in etwa 30 Städten kleine Versammlungen, um „unsere Dienstleistungen“ vor der DOGE zu retten; fanden Versammlungen vor Tesla-Showrooms statt; eine Versammlung von 500 medizinischen Forschern fand an der Universität von Washington statt; am 1. März schließlich versammelten sich Tausende von Menschen in 145 Nationalparks, um gegen Entlassungen zu protestieren, die für die Betroffenen manchmal mit dem Verlust ihrer Wohnung verbunden sind. Zu den Entlassenen gehörten Feuerwehrleute, Ranger, Biologen, Botaniker, ausgebildete Arbeitskräfte und viele andere. In der Vorwoche fand vor dem „Capitol“ des Bundesstaates Montana eine Versammlung zur Verteidigung des öffentlichen Territoriums statt; ein Demonstrant trug dort ein Schild mit folgender Aufschrift: „Nicht die Einwanderer haben meinen Job geklaut, sondern der Präsident.“
Es ist klar, dass in einem so großen, bevölkerungsreichen und reichen Land offensichtlich eine größere Dimension erreicht werden müsste…
8) Es gibt jedoch noch eine gefürchtete Gegenmacht: die der Finanzmärkte. Und die sind sowohl rücksichtslos als auch unvoreingenommen, im Gegensatz zu Richtern, gewählten Vertretern, Bundesangestellten und sogar Gewerkschaftsaktivisten. Wenn Trump darauf beharrt, bundesstaatliche Dienste wie die Zivilluftfahrtbehörde (mit der Aussicht auf neue Unfälle), den Wetterdienst (in einem Land, das häufig von Hurrikanen heimgesucht wird) oder die Behörde für die Überwachung ansteckender Krankheiten zu desorganisieren, und wenn er darüber hinaus Strafzölle verhängt, die die amerikanische Inflation anheizen werden, wird Gott ihn nicht bestrafen, das revolutionäre Proletariat auch nicht, aber die Finanzmärkte schon. Das ist übrigens eine seiner Obsessionen, nur scheint er davon nicht viel zu verstehen, weshalb in diesem Stadium alles möglich ist…
Anmerkungen
[1] DEI für „Diversity, Equity, Inclusion“ (Vielfalt, Gleichheit, Inklusion).
[2] Department of Government Efficiency (Abteilung für Regierungseffizienz).
Dieser Text erschien auf französisch am 19. März 2025 auf A Contretemps, ins deutsche übertragen von Bonustracks.