Feuer & Flamme

Interview mit einem Chilenischen Aktivisten

 

Seit Jahren wird Chile von heftigen Protesten gegen die Regierung durchgerüttelt. Zuerst die massiven Bildungsproteste – bekannt als der “Chilenische Winter” – mit Hungerstreiks und Straßenschlachten von 2011 bis 2013. Auch jetzt noch wird der Widerstand hauptsächlich von Schülerinnen und Schülern organisiert. Konflikte zwischen Polizei und Demonstrantinnen und Demonstranten, brennende Straßen und Tränengas sind für viele längst Gewohnheit. Wir konnten einen anarchistischen Aktivisten und Fotografen aus Chile kontaktieren, der bereit war, uns ein Interview zur derzeitigen politischen Lage in Chile zu geben und uns von ihrem dort geführten Kampf zu berichten.

AWN: Zu Anfang: könntest du dich kurz vorstellen?

 

Aktivist: Ich bin ein Riot Photographer aus Chile. Meistens schieße ich Bilder von Straßenschlachten in der Hauptstadt des Landes. Und ich habe ein paar Freunde, die mit mir dasselbe tun.

 

AWN: Was ist die derzeitige politische Lage in Chile?

 

Aktivist: Wir haben hier in Chile einen Präsidenten, der rechts der Mitte ist, du kannst dir also vorstellen, wie die Situation ist. Die größten Probleme hier sind Rassismus, Klassismus und Armut.

 

AWN: Warum leistet ihr Widerstand? Gegen wen und was? Konntet ihr schon etwas verändern?

 

Aktivist: Hauptsächlich protestieren wir, weil die Regierung sehr schlechte Gesetze, wie das “Aula Segura” erlässt, welches die Demonstrationen der Schülerinnen und Schüler in ihren Schulen kriminalisiert, das heißt, sie (die Schulen) haben das Recht, die Schülerinnen und Schüler zu zwingen, sich ans Gesetz zu halten und sie von den Schulen verweisen. Ein weiteres Gesetz ist das TPP 11. Es ist ein internationaler Vertrag, der den Privaten so viele Rechte gibt, dass wir als Gesellschaft von ihnen ausgepresst werden können. Derzeit protestieren wir deshalb viel gegen das TPP 11. Dabei konnten wir eine Volksabstimmung erkämpfen, bei der eine Ablehnung von 90% herauskam.

 

„Die Polizei hasst uns denn wir zeigen die Wahrheit”

 

AWN: Was sind deine Erfahrungen mit Staat und Polizei?

 

Aktivist: Naja, unsere Erfahrungen mit Staat und Polizei sind sehr schlecht. Meine Freunde und ich tendieren zum Anarchismus, deshalb haben wir keine gute Beziehung mit Beiden. Auf der Straße ist es dasselbe. Die Polizei hasst uns, denn wir zeigen die Wahrheit über die Gewalt in der Gesellschaft, welche immer von ihnen ausgeht.

 

AWN: Wie sieht es mit dem Klimawandel aus? Ist die Veränderung aufgrund der geographischen Lage von Chile spürbarer? Wie wichtig ist das Thema Klimawandel für euch? Kennt ihr Fridays For Future, arbeitet ihr mit ihnen zusammen?

 

Aktivist: Hier in Chile ist der Klimawandel etwas sehr Wichtiges für uns. Wir haben hier so viel Natur und so viele Ökosysteme, die alle den Privaten gehören. Und die machen auch hier einen sehr schlechten Job. Bei uns organisiert FFF Proteste, aber sie arbeiten auch ein bisschen wie eine Art Polizei, denn sie wollen keine Gewalt bei Protesten. Uns gefällt das nicht so gut und wir arbeiten normalerweise nicht mit ihnen, bei der letzten Demo haben wir aber trotzdem mit ihnen protestiert.

 

AWN: Was denkt der Großteil der Gesellschaft von euren Zielen, euren Protestformen und den Reaktionen des Staates?

 

Aktivist: Die Meisten mögen keine Riots oder Proteste. Sie denken, die Demonstrantinnen und Demonstranten wären Kriminelle, du kannst dir also vorstellen, was bei den Demos passiert… Sie unterstützen immer die Polizei und ihre Gewalt.

 

AWN: Ist Polizeigewalt ein Problem in Chile? Wenn ja, warum?

 

Aktivist: Polizeigewalt ist wirklich ein Problem hier in Chile. Bei den Protesten ist die Polizei immer gewalttätig. Und auch mit den Natives hier haben sie ein Problem. Sie töten die Ureinwohner (Mapuches) weil diese ihre Territorien zurückwollen. Sie fühlen sich nicht als Chilenen, deshalb wollen sie ein Land getrennt von uns haben. Aus diesem Grund ist die Polizei sehr brutal und gewalttätig und hat schon viele von ihnen ermordet. (Du kannst dich über den Tod von Camilo Catrillanca Informieren, wenn du mehr wissen willst) *

 

*Anmerkung: Camilo Catrillanca wurde am 14 November 2018 im Alter von 24 Jahren ermordet als er gerade von Feldarbeiten auf einem Traktor nach Hause fuhr. Er war ein Chilenischer Aktivist und Sohn des Präsidenten der lokalen Mapuche-Gesellschaft. Der Mörder war Mitglied einer Special Force der dortigen Polizei. Er schoss die Kugel von hinten in den Kopf des Opfers, welches zu dem Zeitpunkt eine 6 Jahre alte Tochter hatte. Der 15-jährige Junge, der mit ihm auf dem Traktor saß, wurde von den Beamt_innen festgenommen, physisch misshandelt und gefoltert. Nachdem das passiert war, begannen heftige Proteste. Der derzeitige Präsident Sebastián Piñera reagierte darauf, indem er sagte, die genannte Special Force („Comando Jungla“) würde gar nicht existieren und sei eine Erfindung der Medien, was sich schnell als dreiste Lüge entpuppte. Vor Gericht sagte der Mörder, er habe gedacht, Catrillanca sei in einen aktuellen Autodiebstahl verwickelt gewesen, und er habe deshalb geschossen. Es kam heraus, dass dieser Autodiebstahl nie passiert war. Viele ähnliche Lügen wurden von verschiedenen Politiker_innen und anderen Autoritäten gestreut. (Quellen: Wikipedia, Greenpeace)

 

„Wir haben nur eine Option und das ist Widerstand”

 

AWN: Glaubst du, randalieren, streiken, etc. sind effektive Wege, um seine Ziele zu erreichen? Ist Gewalt gegen Dinge oder sogar Menschen der richtige Weg, zu protestieren?

 

Aktivist: Ich glaube, Randale sind ein effektiver Weg, um Ziele zu erreichen. Der Staat und die Autoritäten erkennen den Dialog nicht als wichtiges Mittel zum Erreichen der Dinge an, die die Leute wollen. Deshalb haben wir hier nur eine Option. Und das ist Widerstand. Also ja, ich denke, Gewalt ist ein guter Weg, um uns hier in Chile auszudrücken.

 

AWN: Was glaubst du, was sich am meisten ändern sollte? Und was muss getan werden um es zu ändern?

 

Aktivist: Ich glaube, am meisten sollte sich das Verhalten ändern, das Staat und Polizei der Gesellschaft gegenüber an den Tag legen. Die Gewalt, die sie einsetzen, macht uns sehr wütend. Um das zu ändern, haben wir nur die Option, zu protestieren, denn mit Dialog wird es nicht funktionieren.

 

AWN: Gibt es etwas, das ihr unseren Leserinnen und Lesern sagen wollt?

 

Aktivist: Wir würden gerne sagen, dass ihr euch in der Form ausdrücken müsst, die euch gefällt, gewaltsam oder pazifistisch, aber respektiert immer die Anderen!

 

Das ANTIFASCHISTISCHE WIDERSTANDS NETZWERK solidarisiert sich mit allen Genossinnen und Genossen, die auf der ganzen Welt gegen Rassismus, Faschismus und Klimawandel kämpfen, für bessere Bildung, mehr Toleranz und den Aufstieg der Arbeitenden Klasse! Hoch die internationale Solidarität!