Am Sonnabend vor einer Woche randalieren Skinheads im SC „Jakob“. Der Magistrat, die Staatsanwaltschaft und die Polizei treffen sich daraufhin am Mittwoch und beschließen, künftig enger bei der Bekämpfung von Gewalt und Jugendkriminalität zusammenzuarbeiten. Einen Tag später treffen sich 300 Weimarer zu einer Anti-Gewaltdemonstration auf dem Theaterplatz. Die CDA fordert das Thüringer Innenministerium in einer Pressemitteilung auf, bei der Bekämpfung der Gewaltkriminalität konsequenter zu handeln. Am Freitag berichten die Medien, dass im Saarland ein Asylbewerber verbrannt ist – die Brandstifter sind der rechten Szene zuzuordnen, in Hoyerswerda sich Asylbewerber in ihren Unterkünften verbarrikadieren, aus Angst vor Übergriffen der Skinheads … . Ereignisse einer Woche, die mir durch den Kopf gehen, während ich am Sonntagmorgen gegen 1 Uhr im Lesecafé „Gratis“ sitze. Plötzlich stehen 10 Skinheads im Raum. „Keine Panik, wir gehen gleich wieder. Ganz cool bleiben.“ Jeder hält eine leere Bierflasche in der Hand, einer sogar einen Totschläger. Angst steigt mir auf. Als sie sehen, dass ein Kellner zum Telefon greift, um die Polizei zu alarmieren, wird dies gelassen kommentiert: „Vergessts doch, eh die hier auftauchen, sind wir längst weg.“ Dann machen sie zwei „linke Schweine“ als ihre Opfer aus. Eiskalt schlagen und treten sie gemeinsam auf die beiden Wehrlosen ein und werfen Inventar auf sie. Gelassen und „cool“ wie sie kamen, verschwinden die Skins wieder. Einer von ihnen dreht sich um, grinst und tippt auf seinen Totschläger: „Is‘ doch nur ein Scherzartikel, alles nur Lakritze. Wir kommen wieder, wir kriegen euch alle …!“ Als die Opfer zur Bar vortaumeln, sich das Blut abwischen, frage ich, was sie jetzt tun wollen. „Anzeige – so ein Quatsch! Was soll das? Es bringt doch nichts!“ Bedauerlich, aber leider verständlich, dass es am Vertrauen zur Polizei mangelt. Wäre eine intensivere Streifentätigkeit möglich, um solche Vorkommnisse präventiv zu verhindern, oder muss sich die Weimarer Polizei beim Personenschutz für Politprominenz (z.B. Freitag: Weizsäcker, Mitterrand) für viele Stunden anderweitig binden. Warum lehne sie, Herr Minister Böck, 1,8 Millionen DM hessische Soforthilfe für den Aufbau der Thüringer Polizei ab? Noch immer warten die verunsicherten Bürger Thüringens auf konsequentes Handeln des Innenministeriums, Herr Minister Böck!
Quelle: TLZ vom 24.9.1991: „Auf Wehrlose eingeschlagen“