Am Mahnmal der Gedenkstätte Buchenwald ist eines der bekanntesten Denkmale für die Opfer des NS-Regimes geschändet worden. Unbekannte haben vermutlich in der Nacht zum Dienstag versucht, die Figur des Kindes in der Plastik von Fritz Cremer vom Sockel abzutrennen, teilte die Gedenkstätte mit. Innenminister Richard Dewes (SPD) macht die rechte Szene für den Anschlag verantwortlich. In einer Erklärung des Leiters der Gedenkstätte Volkhard Knigge hieß es, die Plastik, die befreite KZ-Häftlinge darstellt, sei zu einem Symbol für die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen und KZ-Gräuel über Buchenwald hinaus geworden. Die Staatsanwaltschaft Erfurt hat für Hinweise zur Ergreifung der Täter eine Belohnung von2000 Mark ausgesetzt. Dewes bezeichnete die Sachbeschädigung als besonders verabscheuungswürdig, weil es sich bei der Figur um die Darstellung eines polnisches Kindes jüdischer Abstammung handele, das lange Zeit an verschiedenen Stellen im Lager versteckt worden war und den Holocaust überlebt hat. Das Kind symbolisiere den Überlebenswillen Tausender Häftlinge im ehemaligen Konzentrationslager. Rechte Gruppierungen versuchten immer häufiger, Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus zu beschädigen, sagte Dewes. Er wies die Polizei an, die Gedenkstätten in Thüringen besonders in den polizeilichen Schutz einzubeziehen. Gleichzeitig forderte er die Bevölkerung auf, ein wachsames Auge auf die in ihren Gemeinden befindliche Gedenkstätten zu haben. Auch Gedenkstättenleiter Knigge sprach von einem Angriff auf das Gedenken der NS-Opfer. Eine Sprecherin sagte, konkrete Hinweise auf Täter gebe es noch nicht. Die Gedenkstätte sei von einem Besucher auf den Schaden aufmerksam gemacht worden. Das etwa 20 Hektar große Gelände könne unmöglich von dem Wachdienst vollständig und rund um die Uhr kontrolliert werden. Die Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora erklärte, der Anschlag zeige, wie dringend Deutschland ein halbes Jahrhundert nach dem Naziregime eine echte Politik des Antifaschismus und der Humanität brauche.
Quelle: TLZ vom 29.7.1998: „Ein Angriff auf die Opfer des Faschismus“