Gegen die Mitglieder der „Lagergemeinschaft Workuta/Gulag Sowjetunion“, die in Weimar extremistische, rassistische und menschenverachtende Äußerungen unter anderem über ehemalige Buchenwaldhäftlinge, über Schwarze und über eine Demonstration gegen die NPD gemacht hatten, ermittelt seit Dienstag die Polizei. […] Der Thüringer Ministerpräsident, der die Lagergemeinschaft in Weimar besucht hatte, lässt die Staatskanzlei Erkundigungen einholen. Die PDS-Landtagsfraktion stellte gestern eine Anfrage an die Landesregierung. Die TLZ-Chefredaktion stellte gestern dem Ministerpräsidenten, der PDS und der Polizei Namen und Beschreibungen der mutmaßlichen Täter zur Verfügung, um die Ermittlungen und die erforderlichen politischen Auseinandersetzungen zu beschleunigen. Die 100-köpfige Delegation des Opferverbandes hatte in einer Weimarer Schule auf Vermittlung von CDU-Bundestagsabgeordneter Vera Lengsfeld aus dem Stalin-Gulag berichtet und die Werte der Demokratie beschworen. Einzelne Mitglieder der Lagergemeinschaft hatte in ihrem Hotel gegenüber – insgesamt sechs Mitarbeitern, zumeist jungen Menschen, darunter Auszubildende, darunter eine Frau jüdischer Abstammung, Sätze gesagt wie diese: „Den Häftlingen in Buchenwald ging es gar nicht so schlecht, die hatten doch Pullover.“ – „Hat denn das Hotel keine Zwangsarbeiter als Gepäckträger? Ich bin doch kein Kaffer.“ – „Ich hatte 11.000 Neger auf meiner Plantage, elf habe ich aufgehängt, seitdem darf ich in Simbabwe nicht mehr einreisen.“ Als – am 1. Mai – eine Anti-Nazi-Demo am Hotel vorbeizog, wurde eine Kellnerin aufgefordert, rauszugehen und „den Lärm abzustellen“. Ein Hotelgast ließ sich Kopien machen, auf dem Original war zu lesen „…www.Deutsches-Reich …“ sowie ein Aufsatz des früheren Terroristen-Anwaltes und heutigen Chefideologen der NPD, Horst Mahler. Dieser versuchte auf dem zur Kopie erbetenen Papier anhand von Bibelzitaten zu belegen, dass Juden bei uns nichts zu suchen hätten. PDS-Vize Bodo Ramelow kündigte eine „entschiedene Auseinandersetzung“ zu diesem Thema gegenüber der Landesregierung an. Die Lagergemeinschaft äußerte sich bestürzt. Er könne die Vorwürfe bislang weder bestätigen noch dementieren, werde sie nun prüfen, sagte ihr Sprecher Horst Schüler in Hamburg. Er habe von den Vorfällen nicht bemerkt. Das Hotel habe ihn einen Namen genannt und eine zweite Person beschrieben. Wenn diese die Vorwürfe nicht überzeugend widerlegen könnten, würden die Beschuldigten aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, „da gibt es keinen Kompromiss“. Die Lagergemeinschaft sei eine überparteiliche Organisation, die eine Grundhaltung vertrete: gegen politischen Terror gegen anders Denkende, ob von links oder rechts. Ministerpräsident Bernhard Vogel hatte in dem Hotel einen Vortrag vor den Mitgliedern der Gemeinschaft gehalten. Regierungssprecher Uwe Spindeldreier erklärte: „Wir gehen der Sache nach.“ Häftlingssprecher Schüler sagte, er bedauere, Vogel in eine peinliche Lage gebracht zu haben und werde sich auf jeden Fall schriftlich dafür entschuldigen. Von einer Entschuldigung bei den sechs Hotelmitarbeitern war bisher nicht die Rede. Die Gemeinschaft hat nach eigenen Angaben 200 Mitglieder. Es seien Männer und Frauen, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg für Demokratie und Rechtsstaat eingesetzt hätten und dafür zu Lagerhaft verurteil worden seien.
Quelle: TLZ vom 1.5.2001: „Kripo ermittelt gegen Hassreden“