Was als eine machtvolle Demonstration für „Meinungsfreiheit“ angekündigt war, entpuppte sich als Marsch von 250 Neonazis durch ein nahezu unbewohntes und großräumig abgeriegeltes Gewerbegebiet in Weimar. Und doch konnte sich niemand so recht darüber freuen: Erstmals nach 1945 durfte der rechte Mob in Sichtweite der Gedenkstätte Buchenwald marschieren, nachdem die Stadt mit ihrem Verbot in zweiter Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht gescheitert war. Ein Großaufgebot der Polizei aus mehreren Bundesländern schirmte die Rechten ab, die primär mit dem Zug anreisten. Um die direkte Konfrontation zu vermeiden, wurden die Neonazis über ein für diesen Tag stillgelegtes Gleis geleitet, von dort durch den Rastenberger Tunnel in den Norden der Stadt. Die passende Begrüßung für den braunen Mob, fanden die Weimarer, denn dieser gut 100 Meter lange Tunnel ist dreckig, stinkt nach Urin und ist unbeleuchtet. Auf der anderen Seite ein ähnliches Bild: Eingepfercht durch Stoßstange an Stoßstange stehende Polizeiwagen und Schutzgitter warteten auf einer Brache an der Rießener Straße vor allem auf jugendliche Neonazis und ein paar ältere Ewiggestrige auf den Beginn der Demonstration. Es dauerte anderthalb Stunden, bis sich der Zug in Bewegung setzen konnte: Immerhin war der Auflagenbescheid der Stadt elf Seiten stark, der unter anderem indirekt das Tragen von Kleidung der Marke „Lonsdale“ untersagte – unter einer offenen Jacke sind nur die Buchstaben „NSDA“ zu erkennen. Die Polizei nahm drei Personen fest: Sie trugen Symbole verfassungsfeindlicher Organisationen.
Quelle: TLZ vom 22.4.2002: „Demo großräumig abgeriegelt“