… wenn Rassismus nicht mehr Rechts ist

Tobias Z. steht an der Kante: Weil er mittelos ist und keine Ausbildung hat. Er ist von Obdachlosigkeit bedroht und weit entfernt von einer Reife, die bei einem 21-jährigen Mann zu vermuten ist. Seit September geriet er mehrfachmit dem Gesetz in Konflikt. Er ist auf Krawall aus und von Ausländerhass geprägt. Gestern stand Z. wegen seines Alters letztmalig vor dem Jugendrichter. Er machte nicht den Eindruck, dass er die Kante und den Abgrund dahinter sah. Tobias Z. gehört zum Umfeld jener Gruppe aus dem Landkreis, die Ausländer drangsaliert. Bei den Übergriffen auf dem Asia-Imbiss im Handelshaus war er nicht dabei. Z. ist in einem strengen Sinne kein Neonazi. Er ist apolitisch, neigt aber zu Gewalt und explodiert im Suff. Im März beschimpfte er den Inhaber eines Döner-Imbisses in Blankenhain als „Ausländerschwein“ und „Scheißtürken“. Darum ging es gestern nicht. Jugendrichter Karl-Heinrich Götz rief zwei Vorfälle aus, die sich im September und Dezember in Blankenhain ereigneten. Damals demolierte er ein Fahrrad der Heliosklinik und schlug mit der bloßen Hand die Scheibe jenes Imbisses in der Marktstraße ein, dessen Besitzer er im März beschimpfen wird. Und im Dezember machte er sich des versuchten schweren Diebstahls schuldig, weil er bei einem die Lkw die Scheibe einschlug, aber nichts Verwertbares fand. Geständig war er. Ein Gefühl von Reue zeigte er nicht. Im Gegenteil. Er bekannte sich dazu, Ausländer zu hassen, weshalb ihm die Staatsanwaltschaft nicht nur mangelnde sittliche Reife unterstellte. Auch von einem desolaten Demokratieverständnis könne man nicht sprechen, denn Z. habe gar keins. Z. ist Jahrgang 1988, wurde in Weimar geboren und hat zwei Geschwister. Mathias Finger von der Jugendgerichtshilfe im Kreis nannte die Scheidung der Eltern 2002 einen möglichen Wendepunkt. Z. musste an eine Förderschule und litt am Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Über einen Umweg schaffte er zwar den Hauptschulabschluss, versagt aber in der Lehre, sobald die Anforderungen stiegen. Bei JUL in Weimar wurde er rausgeschmissen, auch weil der Ausbilder kein Fingerspitzengefühl gehabt habe. Er lebt heute von Hartz IV, sei aber zu unzuverlässig, dass er einen Entzug sämtlicher Leistungen riskiere. Weil er es noch dazu in seiner Wohnung in Blankenhain zu bunt getrieben habe, sei ihm gekündigt worden – mit Zwangsräumung. Z. hat derzeit bei seiner Freundin im Kyffhäuserkreis Unterschlupf gefunden. Götz lotete die Grenzen des Jugendstrafrechts aus. Er verurteilte Z. zu drei Wochen Dauerarrest sowie einem zweiwöchigen sozialen Training. Darüber hinaus untersagte er ihm den Umgang mit Christian W. und Michael S. für ein Jahr. Beide gehören ebenfalls einer Gruppe an. Die Kosten des Verfahrens muss Z. nicht tragen. Er ist so blank, dass er am Morgen Götz im Gerichtssaal anrief und sagte, er könne ohne Geld den Zug nach Weimar nicht nehmen. Die Mutter seiner Freundin half ihn aus.

 

Quelle: TLZ vom 27.3.2009: „Ganz nah am Abgrund“