Schizophren sei es, wenn ausgerechnet diejenigen sich auf die Verfassung berufen könnten, die die Grundrechte abschaffen wollen. Einen Tag nach dem Marsch der NPD in Weimar und einem vom Verwaltungsgericht geschluckten Demonstrationsverbot kritisierte der Vorsitzende der jüdischen Landesgemeinde Thüringen, Wolfgang Nossen, nicht nur diesen Widerspruch für Demokraten. Er lobt auch das Engagement der Weimarer, die am Samstag ein deutliches Zeichen setzten. Mehr als 1500 Menschen standen 150 Rechten gegenüber. Nossens Rede markierte den Abschluss des „Antifaschistischen Ratschlags“, der extra als Kontrapunkt zur NPD-Demo nach Weimar verlegt worden war.
Auch wenn der große, braune Aufmarsch damit ausblieb – angemeldet waren 1000 Teilnehmer -, wurde die Demo von vielen als ein obszönes Schauspiel empfunden: Neonazis im Schatten des Konzentrationslagers Buchenwald, Neonazis am Jahrestag des Novemberprogroms von 1938. Den Aufmarsch der Rechten bezeichnete deshalb Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) als eine „widerwärtige Provokation“. Weimars OB Volkshardt Germer sprach von einer Verhöhnung aller Nazi-Opfer.
Nicht nur wegen des nasskalten Wetters bot der NPD-Zug ein jämmerliches Bild: Er war geprägt von dumpfen Menschen mit ebenso dumpfen Parolen, so dass selbst der rechte Theoretiker und Anwalt Horst Mahler auf seinen Redebeitrag zur Abschlusskundgebung verzichtete. Gegen 14 Uhr war der braune Spuk in Weimar vorbei. Vor allem dem seit dem Jahre 2000 zwangsweise geschulten Aktionsbündnis „Bürgerinnen gegen Rechtsextremismus“ war es zu verdanken, dass Weimars Bürger sich als wehrhafte Demokraten zeigten.
Nach der öffentlichen Stadtratssitzung auf dem Theaterplatz schlängelte sich der Zug durch die Innenstadt, nach Angaben des Veranstalters reihten sich zu Spitzenzeiten 2500 Menschen ein. Bunt und friedlich ging es zu: Und angesichts des symbolträchtigen Tages waren viele Darbietungen auf dem Theaterplatz in diesem Jahr von Ernsthaftigkeit geprägt.
Die Polizei, die mit mehreren Hundertschaften in Weimar vertreten war, nahm 26 Menschen in Gewahrsam: Drei Rechte, die verbotene Nazisymbole an der Kleidung trugen, sowie 23 Gegendemonstranten. […]
Quelle: TLZ vom 11.11.2002: „