Stadtpolitiker angegriffen

Wer ihn kennt, weiß, dass er keiner Fliege etwas zuleide tut – schon deshalb, weil er ein Grüner ist: Ralph Kettel (20), ehrenamtlicher Geschäftsführer seiner Partei in Weimar. Und dennoch wurde dieser friedfertig Mann am Sonntag, 5.45 Uhr, am Zeughof Opfer der Gewalt: „Zwei junge Männer mit kurzen Haaren, Bomberjacken und Springerstiefeln flitzten hinter mir her, hinderten mich am Weitergehen und sprachen mich wegen Zigaretten an. Ich bot ihnen welche an, sie nahmen sich die ganze Schachtel.“ Die beiden fragten Ralph Kettel nach Geld. Die 10 Mark,  die er ihnen anbot, reichten nicht. Was folgte, waren Leibesvisitationen, Schläge in Magengrube und Unterleib sowie Wegnahme – nein Raub, denn um solchen handelt es sich – von 150 Mark. Es fielen Worte wie „linkes Schwein“ oder „Du kommst wohl aus der Gerberstraße?“ Ralph Kettel: „Ich habe noch Glück gehabt. Außer einem Schock, fehlenden 150 DM, die mir vorerst keiner ersetzt, und einer Portion Nachdenklichkeit.“ Nachdenklichkeit auch über die „lasche“ Bearbeitung seiner Anzeige bei der Polizei. Seinen Wunsch nach einer Foto-Identifikation lehnte man ab, und überhaupt: „Es ist Sonntag, keine Leute.“ Übrigens: auf der Montagspressekonferenz der Polizei verlautete über den Vorfall kein Sterbenswörtchen. Das erinnert ein bisschen an früher, wo es gewisse Dinge nicht geben konnte, weil es sie nicht geben durfte.

 

Quelle: TLZ vom 14.11.1990: „Gewalt auf der Straße“