„Menschenfeindliche Einstellungen“

24. Mai 2022 Kommentare ausgeschaltet

Die rechts-esoterische Anastasia-Bewegung propagiert das Ideal eines so genannten Familienlandsitzes / Das macht ländliche Regionen wie Lippe für die Anhänger interessant, warnt Janine Tappe von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus OWL

Lippische Landes-Zeitung, Sven Kienscherf, 18.05.2022:

Die „Rawaule“, eine Lebensgemeinschaft in Hillentrup, macht Schlagzeilen, weil Bewohner Verbindungen zur Anastasia-Gruppe haben sollen (wir berichteten). Die ursprünglich aus Russland stammende Bewegung geht zurück auf eine Buchreihe des Autors Wladimir Megre, nach dessen Protagonistin Anastasia sie sich benannt hat. Die Ideologie der Gruppe ist eine Mischung aus rechter Esoterik, Natur-Mystifizierung, Antisemitismus und völkischen Ideen. Kernidee ist es, so genannte Familienlandsitze zu gründen. Über die Anastasia-Anhänger und die Gefahr, die von ihrer Ideologie ausgeht, spricht Janine Tappe von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus OWL.

Frau Tappe, was macht die Anastasia-Bewegung aus Ihrer Sicht gefährlich?

Auf den ersten Blick kann die Bewegung recht harmlos anmuten, weil sie vordergründig ökologisch-nachhaltige Lebensmodelle propagiert. Wenn man genauer hinschaut, enthält die Ideologie aber antimoderne, antisemitische, antifeministische und rassistische Elemente. Alles Einstellungsmerkmale, die wir in extrem rechten Ideologien finden. Was bei Anastasia auch oft mitschwingt, ist der Gedanke, eigene Schulen zu gründen. Denn das, was in staatlichen Schulen gelehrt wird, ist natürlich nicht das, was Anastasia propagiert.

Die Bewegung geht zurück auf eine Buchreihe des Russen Vladimir Megre.

Genau, es geht um eine fiktive Figur namens Anastasia, die dem Autor erzählt, wie Menschen leben sollen. Es finden sich darin menschenfeindliche Inhalte aber auch antisemitische Verschwörungserzählungen wie bei den Corona-Leugnern. In den Büchern wird davon gesprochen, wie angeblich Juden die Regierungen verschiedener Länder und den Geldfluss kontrollieren und dass sie selbst Schuld haben, dass sie verfolgt wurden.

In den Büchern wird das Ideal der so genannten Familienlandsitze propagiert. Wie viele gibt es davon in Deutschland?

Das ist schwer zu sagen. Bekanntere Beispiele sind das so genannte „Goldene Grabow“ in Brandenburg, „Weda Elysia“ im Harz in Sachsen-Anhalt und das „Waldgartendorf“ in Hessen. Es gibt auch weitere kleinere Projekte mit Bezug zu Anastasia, zu denen man die Rawaule zählen kann. Wenn man sich diese Projekte mal etwas genauer anschaut, sind sie aber sehr weit entfernt von dem in den Büchern propagierten Ideal des Familienlandsitzes.

Wie ist die Rawaule in der Anastasia-Bewegung einzuordnen?

Wenn man sich die Homepage anschaut, findet man erst mal keine direkten Bezüge zur Anastasia-Bewegung. Recherchen von Fachjournalisten und dem WDR haben aber ergeben, dass es im Dezember 2020 eine Wintersonnenwende-Feier der Anastasia-Bewegung an den Externsteinen gab, an der die Rawaule teilgenommen hat. Wenn man sich die Bewohner anschaut, die dort wohnen oder gewohnt haben, finden sich auch personell Bezüge zur Anastasia-Bewegung.

Welche sind das?

Es gibt einen Liedermacher, der unter dem Künstlernamen Jonathan Löwenherz auftritt und der Lieder gemacht hat, in denen es auch um die Familienlandsitze geht. Der Begriff Familienlandsitz ist immer ein Anastasia-Stichwort. Löwenherz war früher auch in der Reichsbürger-Szene aktiv. Es wurde unter seinem Namen ein Flyer veröffentlicht, in dem es um die Gründung einer so genannten Bürgerrepublik Deutschland ging. Auf dem Flyer sieht man dann ein Bild dieser Republik in den Grenzen des Deutschen Reichs, die zurückgewonnen werden sollen. Dann gibt es einen anderen Mitbewohner, der dort wohnt oder gewohnt hat, der bei den Anastasia-Festspielen Deutschland 2016 zu Gast war, wo er neben anderen Leuten aus der Szene Gitarre gespielt hat. Weiter taucht einer der Gründer der Rawaule Ende 2020 in einem Newsletter eines Anastasia-Aktivisten auf, in dem dazu aufgerufen wird, ihn finanziell zu unterstützen, weil er gerne einen Trecker für die Rawaule kaufen möchte.

Halten Sie es für möglich, dass es Menschen gibt, die sich von Anastasia angezogen fühlen, weil sie auf der Suche nach Gemeinschaft sind, nach einem Leben im Einklang mit der Natur und weniger von den rechtsextremen Elementen?

Die Bewegung hat durch das Werben für ein ökologisches Leben und durch den Aussteiger-Gedanken eine hohe Anschlussfähigkeit. Das eigene Gemüse zu züchten und das eigene Brot zu backen, ist ja schon fast ein gesamtgesellschaftlicher Trend. Wenn die Rawaule wie im April zu einer Pflanzentauschbörse einlädt, ist das ein niedrigschwelliges Angebot. Als Besucher findet man die Leute vielleicht erst mal nett und fühlt sich dort aufgehoben und gerät dann an diese Ideologie. Wir wissen nicht, wann die ins Spiel gebracht wird. Wenn man die Bücher liest, wird aber klar, dass die menschenfeindlichen Einstellungen keine Randaspekte der Bewegung sind.

Was macht Regionen wie Lippe für Anastasia interessant?

Für die Bewegung kommt eigentlich nur der ländliche Raum zum Siedeln infrage, weil sie das Stadtleben, Technologie und Moderne ablehnt. In der Idealvorstellung ist ein Familienlandsitz ein Hektar groß. Diesen Platz wird man in der Stadt nicht finden. Deshalb sollten Menschen auf dem Land, die Grundstücke oder Immobilen verkaufen wollen, für das Thema sensibel sein, damit sie nicht unbeabsichtigt an Anastasia-Anhänger geraten. Das gilt auch für Städte und Gemeinden.

Gesetzt den Fall, ich hätte einen alten Hof zu verkaufen, und dafür interessiert sich eine Gruppe von Menschen. Wie merke ich, ob sie der Anastasia-Bewegung angehören?

Das ist wirklich sehr schwer. Wenn man beispielsweise auf Menschen trifft, die sagen, sie wollen eine Kommune gründen, kann man fragen, ob es dabei ein Prinzip gibt, auf das sie sich berufen. Es ist natürlich nicht gesagt, dass man eine ehrliche Antwort erhält. Auf der anderen Seite gab es 2021 auf Ebay-Kleinanzeigen ein Gesuch, in dem fünf Familien aus dem Raum Detmold ein Gehöft in Lippe gesucht haben. Das Titelbild war das Cover eines Anastasia-Buches. Wenn man ein Bauchgefühl hat, dass irgendetwas nicht stimmt, kann man sich auch an die Mobile Beratungsstelle wenden, wir können da sicher weiterhelfen.

Haben Sie Erkenntnisse, ob die Anastasia-Bewegung gezielt den Kontakt mit Rechtsextremisten beispielsweise aus dem völkischen Spektrum sucht?

Ich denke, das kann man nicht verallgemeinern. Überschneidungen sind in OWL bisher eher personell begründet, wie beispielsweise bei dem erwähnten Liedermacher, der in der Reichsbürger-Szene aktiv war. Es gibt aber natürlich Gemeinsamkeiten. Neben den Einstellungen, die ich bereits genannt habe, auch das Familienbild. Eine Familie besteht für Anastasia immer aus Vater, Mutter und Kindern. Homosexuelle Beziehungen werden abgelehnt. Auch den Ökologie-Gedanken finden wir in Teilen der extremen Rechten, die etwa die Parole „Umweltschutz ist Heimatschutz“ ausgeben. Überschneidungen gibt es auf jeden Fall zur Szene der Corona-Leugner, in den entsprechenden Gruppen im Internet sind Verweise auf die Anastasia-Bücher und -Projekte geteilt worden.

Was kann man als Bürger tun, damit Bewegungen wie Anastasia sich nicht ausbreiten können?

Es ist wichtig, sich und andere zu informieren, um solche Projekte überhaupt zu erkennen. Ein ganz wichtiger Faktor, um zu verhindern, dass sich rechte Gruppierungen festsetzen können, ist sich aktiv für eine demokratische und pluralistische Gesellschaft einzusetzen.

Strategien gegen Rechtsextremismus

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus OWL (MBR OWL) mit Sitz in Herford ist eine Beratungsstelle für Einzelpersonen, Gruppen, Vereine, Unternehmen und Institutionen. Die MBR vermittelt Fachwissen und hilft beim Aufbau von Strukturen zum Umgang mit Rassismus und Rechtsextremismus. Die Förderung der Beratungsstelle erfolgt unter anderem aus Mitteln des Bundesprogramms „Demokratie leben!“. Die Beratung ist kostenlos. Die MBR OWL ist zu erreichen unter Tel. (05221) 1745726 oder per E-Mail: [email protected].

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Kreis Lippe will Ausbreitung der Anastasia-Bewegung verhindern

23. Februar 2022 Kommentare ausgeschaltet

Der Kreis Lippe will verhindern, dass Anhänger der völkischen und antisemitischen Anastasia-Bewegung in der Region weiter Fuß fassen. Auch die lippische Landeskirche ist besorgt.

WDR / 15.02.2022

Der Kreis hat unter anderem einen Infoabend in einer Waldorfschule in Detmold organisiert. Der Hintergrund: Immer wieder versuchen Menschen mit rechtem Gedankengut, über ihre Kinder an freie Schulen anzudocken.

Auch Beschäftigte des Kreises wurden sensibiliert. Die Sorge der Behörden ist, dass Anastasia-Gruppen für den Bau von Gebäuden Fördergelder des Staates beantragen und bewilligt bekommen könnten.

Landeskirche warnt vor Grundstücksverkäufen an Anastasia-Anhänger

Die lippische Landeskirche hatte ihre Gemeinden in der vergangenen Woche davor gewarnt, Grundstücke an Mitglieder der Anastasia-Bewegung zu verkaufen. Die Landeskirche beobachte mit Sorge, dass die Bewegung in Lippe Versuche unternehme, Liegenschaften zu erwerben. Bei Grundstücksverkäufen müsse sorgfältig geprüft werden, wer die Interessenten sind, rät die Kirche ihren Gemeinden.

Die Bewegung versucht immer wieder Dörfer mit rechtem Gedankengut zu unterwandern. Die Mitglieder wollen sich im ländlichen Raum als Selbstversorger niederlassen. Der WDR hatte im vergangenen Jahr herausgefunden, dass es in Dörentrup und Detmold bereits Anhänger gibt.

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Völkische sind auf dem Vormarsch

25. November 2021 Kommentare ausgeschaltet

Bei einem gut besuchten Vortrag berichtet die Journalistin und Buchautorin Andrea Röpke im Dörentruper Bürgerhaus von der „Landnahme“ der so genannten Anastasia-Bewegung

Hajo Gärtner in der Lippischen Landes-Zeitung vom 24.11.2021:

Dörentrup. Die Zahlen sprechen für sich: Elf Millionen Mal sollen die zehn erschienenen Bücher über Anastasia, die „Tochter der Taiga“, bislang verkauft worden sein. Die zentrale Romanfigur der Buchreihe des russischen Autors Wladimir Megre ist eine „wunderschöne blonde Prinzessin, die mit Tieren sprechen kann“ – und eine raffinierte Marketing-Strategie, um die „völkische Landnahme“ einer sektenhaften, esoterisch-rassistischen Bewegung voranzutreiben, sagt Andrea Röpke. Die Journalistin gilt als Kennerin der rechten Szene. Am Dienstagabend hat sie einen gut besuchten Vortrag im Dörentruper Bürgerhaus gehalten.

Nicht ohne Grund, sorgte doch die Hillentruper „Lebensgemeinschaft Rawaule“ vor kurzem für Aufsehen. Die „Lebensgemeinschaft“, vor wenigen Jahren eingezogen in der alten Schule, steht im Verdacht, der Anastasia-Bewegung zumindest in Teilen anzugehören (die LZ berichtete).

Röpke hat das Buch „Völkische Landnahme“ geschrieben, zugleich der Titel ihres Dörentruper Vortrags. Organisiert wurde der Abend von der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus OWL“. Die Journalistin und Autorin beobachtet, wie „rechte Ökos“ in ländliche Regionen drängen, um Land aufzukaufen, Häuser zu bauen und eigene Wirtschaftsnetze zu flechten. Die „Aussteiger von rechts“ betreiben demnach ökologische Landwirtschaft, pflegen altes Handwerk und nationales Brauchtum.

Teilnehmer der Vortragsveranstaltung berichteten in der anschließenden Diskussion, dass sich die alte Schule wohl „zu einer Art Fortbildungszentrum“ entwickelt habe. Jedenfalls hingen dort Zettel mit Einladungen zu Seminaren aus. Das halte sie für durchaus möglich, antwortete die Referentin, wisse dazu aber nichts Genaues.

Ihre Daten beziehen sich vielmehr auf viele Dörfer, in denen sie ausgiebig recherchiert hat. Fündig geworden ist sie vor allem in Jamel (Mecklenburg). Mitten im Dorf zeige zum Beispiel ein Wegweiser nach Braunau, dem Geburtsort Adolf Hitlers.

Das Verhalten der „rechten Ökos“ klingt zunächst nach einem Eskapismus, wie er in der Hippie-Kultur auffällig in Erscheinung getreten ist. Der neuen, völkisch-nationalistischen Variante geht es nach Andrea Röpkes Erkenntnissen aber nicht um „Love and peace all over the world“, sondern um das glatte Gegenteil: Sie wollen keinesfalls die Welt retten, sondern einzig radikalen „Volksschutz“ betreiben. Langwierige Recherchen und Analysen von Schriften belegen laut Röpkes Worten: Diese neuen Aussteiger siedeln in „Wehrdörfern“ mit dem Konsens, unter „Gleichen“ leben zu wollen. Viele hängen der „Blut-und-Boden“-Ideologie der Nazis an und verbreiten ein elitäres Vokabular gegen „Überfremdung“.

Andrea Röpke stuft die Bewegung als durchaus gefährlich ein; nicht umsonst werde sie jetzt auch in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet. In ihrem Vortrag zeigte sie die Präsenz prominenter Köpfe der rechtsextremen Szene, denn völkische Ideologie breite sich auch in Parteisatzungen wie der der AfD aus.

Bei der direkten Landnahme vor Ort gehe es um Akzeptanzgewinn: Die neuen Rechten dringen ihr zufolge in örtliche Vereine vor, unterwandern die lokale Politik und Schulen. Sie versuchen, Umweltschutz mit völkischer Gesinnung zu verbinden. Ihre Strategie nennen sie auch „nationale Graswurzelarbeit“.

Woher haben die das Geld? Röpke ist sich sicher, dass auch russische Geldgeber dahinter stecken. Derweil ist die völkische Szene auch in Ostwestfalen-Lippe angekommen. Die Externsteine üben eine geradezu magische Anziehungskraft auch auf rechtsesoterische Kreise aus, zeigte Röpke auf. Hier gebe es Verbindungen zu völkischen Siedlern. Hochbelastete Begriffe wie „Rasse“ werden chiffriert, sie reden zum Beispiel von „Artgemeinschaft“.

Das durchaus entsetzte Publikum wollte wissen, was man dagegen unternehmen könne. Sich allein auf staatliche Maßnahmen zu berufen, davon hält Andrea Röpke nicht viel. Die rechte Szene habe sich professionalisiert, vermeide vor Ort Straftaten in der Öffentlichkeit. Da habe die Polizei wenig Handhabe. Viel effektiver ist ihrer Ansicht nach „zivilgesellschaftliches Engagement“: Deutlich Gegenposition zu beziehen, wenn die „völkische Landnahme“ sich ausweitet und verhindern, dass rechtsradikale Aktivisten weiterhin Land, alte Höfe und Häuser aufkaufen.

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23.11.: Veranstaltung in Dörentrup

15. November 2021 Kommentare ausgeschaltet
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Nähe zur „Anastasia“-Bewegung: Vorwürfe gegen Hillentruper Kommune Rawaule

10. Oktober 2021 Kommentare ausgeschaltet

Dörentrup-Hillentrup. Im Dunstkreis der so genannten Anastasia-Bewegung vermischen sich esoterisch ausgerichtete Gruppen, alternativ wirkende Projekte und rechtsextreme Ansichten. Auch in Hillentrup soll es Anastasia-Anhänger in der Rawaule-Lebensgemeinschaft geben. Extremismus-Fachmann Sascha Schmittutz vom Kreis Lippe warnt vor Unterwanderung von Projekten durch Rechtsextreme.

Quelle: Jens Rademacher / Lippische Landes-Zeitung vom 10.10.2021

Der WDR hatte berichtet, dass sich Rawaule-Bewohner der Anastasia-Bewegung zurechnen. In dem Bericht finde sich ein „Bündel von Falschbehauptungen“, sagte ein Rawaule-Bewohner der LZ. Weiter wollte sich die Rawaule nicht äußern, weil die LZ auf ihre Bedingung nicht eingegangen ist, ihr den Artikel vor der Veröffentlichung vorzulegen. Daraufhin wollten die Bewohner der LZ ein schriftliches Statement senden und schriftlich Fragen beantworten. Beides geschah nicht.

Benannt nach dem Straßennamen

In einem auf Facebook veröffentlichten Statement bestreitet die Gruppe die Rechtsextremismus-Vorwürfe. Der Rawaule-Bewohner, der das Facebook-Statement verfasst hat, betont darin, er habe eine Antifa-Gruppe gegründet, als 1989 die „rechtspopulistischen Republikaner mit ihrem Franz Schönhuber an der Spitze mit ausländerfeindlichen Parolen auf Stimmenfang“ gingen. Indirekt bestätigt das Statement allerdings die Nähe einiger Bewohner zu Anastasia. Denn es heißt, es stünden nicht alle Bewohner hinter der Anastasia-Bewegung. Im Umkehrschluss bedeutet das: Andere aber schon.

Die Rawaule-Lebensgemeinschaft, benannt nach dem Straßennamen, hatte sich im Jahr 2015 im alten Schulgebäude nahe der Hillentruper Kirche gegründet. Nach eigenen Angaben leben dort zur Zeit neun Menschen. Eine der Mitgründerinnen ist vor einiger Zeit ausgezogen. Die Rawaule sei ein „Begegnungsort für Denkfreiheit, Kreativität und Wissensweitergabe“, heißt es auf ihrer Internetseite. Zentrale Punkte sind die Idee des Gemeinschaftseigentums, wie die LZ 2018 schrieb, die Selbstversorgung und die „gesunde, faire und ökologische Ernährung aus unserer großen Gemeinschaftsküche“.

„Wir müssen aufpassen“

Punkte wie gesunde Ernährung, autarkes Leben, Ökologie, Klimaschutz oder Permakultur sind nach den Worten von Sascha Schmittutz vom Kreis Lippe Anknüpfungspunkte für Rechtsextreme – und „zu wichtig, um sie rechten Ideologien zu überlassen“, wie Schmittutz sagt. Er ist für die Koordination der Prävention vor Rassismus und Extremismus und für Demokratie-Förderung zuständig und sagt mit Blick auf die Anastasia-Bewegung: „Wir müssen als ländlicher Kreis aufpassen, dass Menschen mit einer solchen Gesinnung uns nicht Vereine und Projekte durch ideologische Unterwanderung kaputtmachen.“

Sprich: Rechtsextremisten nutzten solche Themen und Gruppen, um dort anzudocken. Wenn von Anastasia-Anhängern behauptet werde, dass man eher links sei, „dann habe ich meine Zweifel“, sagt Schmittutz.

Die Anastasia-Bewegung fußt auf einer Buchreihe des russischen Autors Wladimir Megre, die auf den ersten Blick eher ins esoterische Milieu passt. Die Anastasia-Bücher seien nicht antisemitisch, heißt es im Rawaule-Statement. Doch Fachleute widersprechen: Darin würden eben nicht nur naturreligiöse Anschauungen verbreitet, sondern auch rechte und antisemitische Verschwörungsmythen. So stellt die Amadeu Antonio Stiftung, die sich gegen Rechtsextremismus wendet, fest: „Die Buchreihe des russischen Autors verbreitet unverhohlen antisemitische und rassistische Ansichten“ und diene als Inspiration für völkisch-esoterische Siedler. Nach Schmittutz’ Worten heißt es ab dem vierten Buch der Reihe, Juden seien auserkoren, die Weltherrschaft an sich zu reißen. „Eine unerträgliche Ideologie“, stellt der Präventionsbeauftragte fest.

Ihm zufolge propagieren die Anastasia-Bücher auch Blut-und-Boden-Ideologie, die mit der die Ablehnung von Zuwanderung einhergehe. Der Lüdenhauser Pfarrer Horst-Dieter Mellies, Beauftragter der Lippischen Landeskirche für Weltanschauungsfragen und Sekten, weiß, dass auch der Gedanke der „Reinheit der Art“ eine Rolle spielt.

Anastasia-Gruppe wollte sich auch in Detmold niederlassen

Die Amadeu Antonio Stiftung erläutert außerdem: Die Anhänger der rechts-esoterischen Bewegung versuchten, autarke Selbstversorger-Siedlungen aufzubauen. Davor warnt auch Mellies: Es könne ganz harmlos anfangen. „Man bezieht ein verlassenes Gehöft, bringt sich in das Gemeinwesen ein und fängt dann an, seine Inhalte zu transportieren.“ Und die seien nicht harmlos. Auch im Kreis Lippe soll eine Anastasia-Gruppe aus dem Detmolder Raum ein großes Haus mit Garten gesucht haben. In Extertal soll es dann den vergeblichen Versuch gegeben haben, ein leerstehendes Gebäude zu kaufen. Für Mellies ist nach dem Studium der Rawaule-Internetseite und anderer verbundener Seiten nicht von der Hand zu weisen, dass es hier eine Verbindung zu Anastasia gibt. Für eine genauere Beurteilung fehle ihm aber das Material.

Auf Facebook teilen manche Rawaule-Mitglieder beziehungsweise ehemalige Mitglieder esoterische Themen, Impf-Skeptiker-Posts, aber nach Schmittutz’ Worten auch Seiten, die für Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker interessant sind. Darüber hinaus werden Inhalte geteilt, mit denen Hartz-IV-Empfänger und Flüchtlinge gegeneinander ausgespielt werden sollen. Schmittutz fordert deshalb auch mit Blick auf die Menschen in solchen Projekten: „Man muss sich gegenüber denjenigen abgrenzen, die Anastasia befürworten.“ Ähnlich sieht es Pfarrer Mellies: Wer sich für Anastasia interessiere, „der muss wissen, unter welcher Fahne er mitläuft“. Er warnt: Die Esoterik-Szene habe eine „offene Flanke in den rechten Rand hinein“.

Dorfbewohner haben Kontakt zu Rawaule-Bewohnern

In Hillentrup selbst, wissen Dorfbewohner zu berichten, habe man durchaus Kontakt mit den Rawaule-Bewohnern. „Es war bislang eine vernünftige Nachbarschaft“, sagt ein Hillentruper. So wollten die Rawaule-Leute demnächst wieder mit anderen Hillentrupern Saft pressen. Rechtsextreme Ansichten hätten Bewohner nicht geäußert. Auch sei kein Versuch bekannt, andere zu bekehren. „Aber was die hinter ihrer Haustür machen, weiß ich natürlich auch nicht“, sagt der Hillentruper.

Dörentrups Bürgermeister Friso Veldink zeigte sich denn auch überrascht von dem Bericht. Er habe sich in seiner Gemeindeverwaltung erkundigt: Dort sei nichts Negatives bekannt. Es folgte ein persönliches Treffen zwischen Veldink und fünf Rawaule-Bewohnern, in denen diese betont hätten, sie richteten sich nicht dogmatisch nach irgendeiner Lehre, sagt Veldink. Überdies hatte die Rawaule die Nachbarn kürzlich zu einem „Bürgerabend“ eingeladen. Er sei nicht beunruhigt, betont der Bürgermeister, werde sich aber weiter informieren, was es mit der Bewegung auf sich hat. „Wir werden die Augen weiter offen halten, um rechtsextreme Tendenzen in Dörentrup frühzeitig zu erkennen.“

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Rechte Öko-Sekte: Die „Anastasia-Bewegung“

7. Oktober 2021 Kommentare ausgeschaltet

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Völkische Siedler jetzt auch im Kreis Lippe

14. September 2021 Kommentare ausgeschaltet

Die antisemitische und völkische Anastasia-Bewegung versucht jetzt auch im Kreis Lippe Fuß zu fassen.

Von Oliver Jürgens / WDR / 13.09.2021

Die Anhänger einer russischen Lehre leben als Selbstversorger in Ökosiedlungen und haben Kontakte in die rechte Szene.

Auf dem Internet-Portal Ebay-Kleinanzeigen sucht die Gruppe zur Zeit ein Gemeinschaftshaus. Einzelne Anhänger der Anastasia-Bewegung leben nach WDR-Informationen bereits im Detmolder Raum. Es handelt sich um mindestens fünf Familien. Die Detmolder Gruppe sucht ein Haus mit großem Garten, um dort auch Gemüse und Obst anzubauen. Außerdem sollen auf dem Gelände weitere Häuser entstehen.

Offenbar wird eine ganze Siedlung geplant – typisch für die Mitglieder der Bewegung, die als Selbstversorger leben möchten.

Treffen an den Externsteinen

Auch im lippischen Dörentrup gibt es mit der „Rawaule“ bereits eine Gemeinschaft, die sich in Teilen der Anastasia-Bewegung zurechnet. Von dort wurde im Dezember die Besichtigung einer leerstehenden Gaststätte in der Gemeinde Extertal organisiert. Das Haus ist inzwischen anderweitig verkauft worden. Außerdem gab es zur Wintersonnenwende ein Treffen an den Externsteinen.

Experten warnen vor völkischen Siedlern

Die Anastasia-Bewegung kommt aus Russland und basiert auf einer Romanbuchreihe des russischen Autors Wladimir Megre. Er berichtet darin von einer fiktiven Begegnung mit einer Frau namens Anastasia, die zum Leben auf dem Land aufruft. Das erste Buch dieser Reihe erschien 1996.

Nach Meinung von Rechtsextremismus-Expertin Anna Weers von der Amadeu-Antonio-Stiftung ist die Anastasia-Bewegung gefährlich: „Viele AkteurInnen haben bereits eine rechtsextreme Vergangenheit und sind dort gut vernetzt. Andersdenkende werden bedroht.“ Die Anastasia-Anhänger richteten sich gegen alles, was die moderne Welt ausmache – Menschenrechte, Gleichberechtigung, Anerkennung einer diversen Gesellschaft.

Die Ansiedlung läuft dabei immer gleich, sagt der Präventionsbeauftragte des Kreises Lippe, Sascha Schmittutz: „Sie versuchen in einem Dorf viel Land zu kaufen und infiltrieren auf lange Sicht eine Dorfgemeinschaft.“

Anastasia-Anhänger geben sich harmlos

Auf WDR-Anfrage wollte sich die Aufgeberin der Ebay-Kleinanzeige dazu nicht äußern. Auch die Bewohner der „Rawaule“ waren kurzfristig nicht zu einem Interview bereit. Schriftlich teilten sie jedoch mit: „Jede Form von politischem Extremismus oder Menschenfeindlichkeit hat in der Rawaule keinen Platz.“ Die Journalistin und Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke wirft aber zumindest einem Bewohner der Rawaule vor, enge Kontakte in die rechte Szene zu haben.

Verfassungsschutz prüft Hinweise in NRW

Die Sicherheitsbehörden haben die Anastasia-Bewegung inzwischen auf dem Radar. Der NRW-Verfassungsschutz sagte dem WDR, aktuell würden Hinweise auf Aktivitäten der Gruppe in Nordrhein-Westfalen geprüft.

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Ökologische Siedler von Anastasia und Co

13. September 2021 Kommentare ausgeschaltet

 

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Gefährliche Allianz: Grüne Esoterik und braune Philosophie

12. September 2021 Kommentare ausgeschaltet

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