Völkische sind auf dem Vormarsch
Bei einem gut besuchten Vortrag berichtet die Journalistin und Buchautorin Andrea Röpke im Dörentruper Bürgerhaus von der „Landnahme“ der so genannten Anastasia-Bewegung
Hajo Gärtner in der Lippischen Landes-Zeitung vom 24.11.2021:
Dörentrup. Die Zahlen sprechen für sich: Elf Millionen Mal sollen die zehn erschienenen Bücher über Anastasia, die „Tochter der Taiga“, bislang verkauft worden sein. Die zentrale Romanfigur der Buchreihe des russischen Autors Wladimir Megre ist eine „wunderschöne blonde Prinzessin, die mit Tieren sprechen kann“ – und eine raffinierte Marketing-Strategie, um die „völkische Landnahme“ einer sektenhaften, esoterisch-rassistischen Bewegung voranzutreiben, sagt Andrea Röpke. Die Journalistin gilt als Kennerin der rechten Szene. Am Dienstagabend hat sie einen gut besuchten Vortrag im Dörentruper Bürgerhaus gehalten.
Nicht ohne Grund, sorgte doch die Hillentruper „Lebensgemeinschaft Rawaule“ vor kurzem für Aufsehen. Die „Lebensgemeinschaft“, vor wenigen Jahren eingezogen in der alten Schule, steht im Verdacht, der Anastasia-Bewegung zumindest in Teilen anzugehören (die LZ berichtete).
Röpke hat das Buch „Völkische Landnahme“ geschrieben, zugleich der Titel ihres Dörentruper Vortrags. Organisiert wurde der Abend von der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus OWL“. Die Journalistin und Autorin beobachtet, wie „rechte Ökos“ in ländliche Regionen drängen, um Land aufzukaufen, Häuser zu bauen und eigene Wirtschaftsnetze zu flechten. Die „Aussteiger von rechts“ betreiben demnach ökologische Landwirtschaft, pflegen altes Handwerk und nationales Brauchtum.
Teilnehmer der Vortragsveranstaltung berichteten in der anschließenden Diskussion, dass sich die alte Schule wohl „zu einer Art Fortbildungszentrum“ entwickelt habe. Jedenfalls hingen dort Zettel mit Einladungen zu Seminaren aus. Das halte sie für durchaus möglich, antwortete die Referentin, wisse dazu aber nichts Genaues.
Ihre Daten beziehen sich vielmehr auf viele Dörfer, in denen sie ausgiebig recherchiert hat. Fündig geworden ist sie vor allem in Jamel (Mecklenburg). Mitten im Dorf zeige zum Beispiel ein Wegweiser nach Braunau, dem Geburtsort Adolf Hitlers.
Das Verhalten der „rechten Ökos“ klingt zunächst nach einem Eskapismus, wie er in der Hippie-Kultur auffällig in Erscheinung getreten ist. Der neuen, völkisch-nationalistischen Variante geht es nach Andrea Röpkes Erkenntnissen aber nicht um „Love and peace all over the world“, sondern um das glatte Gegenteil: Sie wollen keinesfalls die Welt retten, sondern einzig radikalen „Volksschutz“ betreiben. Langwierige Recherchen und Analysen von Schriften belegen laut Röpkes Worten: Diese neuen Aussteiger siedeln in „Wehrdörfern“ mit dem Konsens, unter „Gleichen“ leben zu wollen. Viele hängen der „Blut-und-Boden“-Ideologie der Nazis an und verbreiten ein elitäres Vokabular gegen „Überfremdung“.
Andrea Röpke stuft die Bewegung als durchaus gefährlich ein; nicht umsonst werde sie jetzt auch in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet. In ihrem Vortrag zeigte sie die Präsenz prominenter Köpfe der rechtsextremen Szene, denn völkische Ideologie breite sich auch in Parteisatzungen wie der der AfD aus.
Bei der direkten Landnahme vor Ort gehe es um Akzeptanzgewinn: Die neuen Rechten dringen ihr zufolge in örtliche Vereine vor, unterwandern die lokale Politik und Schulen. Sie versuchen, Umweltschutz mit völkischer Gesinnung zu verbinden. Ihre Strategie nennen sie auch „nationale Graswurzelarbeit“.
Woher haben die das Geld? Röpke ist sich sicher, dass auch russische Geldgeber dahinter stecken. Derweil ist die völkische Szene auch in Ostwestfalen-Lippe angekommen. Die Externsteine üben eine geradezu magische Anziehungskraft auch auf rechtsesoterische Kreise aus, zeigte Röpke auf. Hier gebe es Verbindungen zu völkischen Siedlern. Hochbelastete Begriffe wie „Rasse“ werden chiffriert, sie reden zum Beispiel von „Artgemeinschaft“.
Das durchaus entsetzte Publikum wollte wissen, was man dagegen unternehmen könne. Sich allein auf staatliche Maßnahmen zu berufen, davon hält Andrea Röpke nicht viel. Die rechte Szene habe sich professionalisiert, vermeide vor Ort Straftaten in der Öffentlichkeit. Da habe die Polizei wenig Handhabe. Viel effektiver ist ihrer Ansicht nach „zivilgesellschaftliches Engagement“: Deutlich Gegenposition zu beziehen, wenn die „völkische Landnahme“ sich ausweitet und verhindern, dass rechtsradikale Aktivisten weiterhin Land, alte Höfe und Häuser aufkaufen.