Erneut muss sich das Weimarer Jugendschöffengericht mit einem Fall von rechtsextremistischen Äußerungen in der Öffentlichkeit beschäftigen. Acht junge Männer zwischen 19 und 30 und eine junge Frau müssen sich seit gestern dafür verantworten, dass sie am 31. August 1998 in der Weimarer Innenstadt das Horst-Wessel-Lied gesungen haben sollen. Außerdem soll aus ihrer Gruppe Sieg Heil und andere Parolen gerufen worden sein. Die Beweislage in dem Verfahren ist, wie so oft in diesen Fällen, recht schwierig. Aufmerksame Bürger hatten zwar die Polizei informiert, als sich die jungen Leute, die sich zunächst auf dem Schulhof des Eckermann-Gymnasiums am Sophienstiftplatz zusammengerottet hatten, in Richtung Innenstadt begaben. Wer aber gesungen und gebrüllt hat, das ist heute schwer zuzuordnen. Die Polizei nahm die neun nunmehr angeklagten am Rollplatz vorläufig fest. Einer der Männer setzte sich zur Wehr und hat nun noch ein Verfahren wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte am Hals. Er war damals bei der Bundeswehr und wollte sich „nur von der Feldgendarmerie“ festnehmen lassen. Vor Gericht war er als einziger zu einer Aussage bereit. Die Erinnerung an das Geschehen ist jedoch bereits so getrübt, dass das Gericht nicht zu klaren Erkenntnissen kommen konnte. Deshalb muss ein Polizeibeamter als Zeuge gehört werden, der die Festgenommenen im August 1998 vernommen hatte. Da sich dieer Beamter derzeit auf einem Lehrgang befindet, beschloss das Gericht, das Verfahren zunächst auszusetzen. Gegen zwei der angeklagten Männer wurde das Verfahren mit Blick auf andere Verurteilungen eingestellt. Auch die junge Frau braucht zum nächsten Termin nicht mehr zu erscheinen. Der jungen Mutter zeigte der Vorsitzende die mit der Mutterschaft verbundene Verantwortung in aller Deutlichkeit auf.
Quelle: TLZ vom 13.4.2000: „Aus dem Gerichtssaal: Mit Naziparolen durch die Stadt“