Rückblick: Der 09. November in Görlitz

Ob als Datum der Novemberrevolution, des Hitlerputsches, der Pogromnacht oder als Fall der Berliner Mauer, der 09. November spielt in der jüngeren Deutschen Geschichte eine herausragende Rolle. Logisch, dass er auch in der Gegenwart eine entsprechende Rolle in der deutschen Erinnerungspolitik spielt. Und logischer Weise kann es da auch schon mal passieren, dass man da ein wenig durcheinander kommt – bei so vielen Ereignissen. Das geschieht in Görlitz schon seit einigen Jahren immer wieder.

In der Görlitzer Frauenkirche kann man bei der Gedenkveranstaltung Jahr für Jahr Redebeiträge vernehmen, in denen die Pogromnacht und der Fall der Mauer einfach mal zusammengewürfelt werden, als könnte man beide Ereignisse vergleichen oder aufeinander beziehen. Doch die Pogromnacht steht als Ereignis für sich alleine. Der Vorsitzende des Schlesischen Museums Dr. Bauer sagte dazu am 09. November 2009:

Es gibt hier keine kausale Reihe, keine logische Abfolge und schon gar nicht lässt sich sagen, dass durch den Glückstag im November 1989 ein mit Verhängnissen beladener Geschichtsverlauf doch noch ein gutes Ende gefunden hätte. Die Pogromnacht 1938 lässt sich nicht in eine geordnet verlaufende Nationalgeschichte integrieren. Sie ist ein monströses Ereignis, bricht jeden Rahmen und steht quer zu jeder historischen Ordnung.

Das ist ein Geschichtsbild, was es leider zu selten gibt. Viel einfacher ist es auch das Gedenken an die entsetzliche Pogromnacht mit einem fröhlichen „die Mauer ist weg“ zu färben. Und die Relativierung des Nationalsozialismus hat in Deutschland eine widerliche und lange Tradition, die mit dem Ende des Selbigen begann.

Die heutigen Nazis würden den 09. November 1938 wohl am liebsten als Feiertag sehen. Ihre historischen Vorbilder hatten sich in ihrem antisemitischen Wahn richtig ausgelebt. Das finden Nazis auch in der Gegenwart noch toll, wie man nicht zuletzt am Beispiel der rassistischen Hoyerswerdaer Pogrome von 1991 feststellen konnte. Auch diese waren für die Nazis ein spontaner „Volksaufstand“. Verfälschender und menschenverachtender kann die Darstellung von Deutscher Geschichte nicht mehr sein.

Doch was passierte am 09. November 1938 in Görlitz eigentlich wirklich? Eine hundertprozentige historische Sicherheit gibt es da wohl nicht. Fest steht nur, dass es auch in Görlitz massive Übergriffe auf die jüdische Bevölkerung gab und auch versucht wurde, die Synagoge als sichtbares Zeichen einer lebendigen Jüdischen Gemeinde zu zerstören. Doch es gelang nicht. Ob die nationalsozialistischen Brandstifter unfähig waren oder die Feuerwehr löschte, wird sich wohl nicht mehr abschließend klären lassen. Die Zeitzeugenberichte sind hierbei nicht eindeutig.

Und zum Gedenken heute? Immerhin schafften es ca. 200 Leute zum Pogromnachts – Gedenken an die Synagoge zu kommen. Die Nazis und ihre zahlreichen Anhänger in der deutschen Bevölkerung konnten die Mitglieder der Görlitzer Jüdischen Gemeinde auslöschen oder vertreiben, doch offensichtlich nicht die Erinnerung daran. Das macht noch Hoffnung. Und nicht der 09. November 1989. Der dient schon viel zu häufig als neuer ideologischer Anlauf für neue Pogromnächte.