Laut Ankündigungen im Internet will die NPD – Parteizeitung Deutsche Stimme am 01. und 02. Juli 2011 ihr Pressefest durchführen. Entgegen dem Pressefest 2010, welches durch das Hochwasser buchstäblich ins Wasser fiel, soll dieses Jahr das Ereignis über 2 Tage gehen. Der Ort dafür steht schon fest: der Quitzdorfer Stausee bei Niesky (Landkreis Görlitz). Erwartet werden mehrere tausend Alt – und Jungnazis.
Der gewählte Ort ist kein Zufall, denn dort hat der seit den 1980ern sehr aktive Neonazi – Aktivist Helge Redeker ein braunes Urlaubs – Paradies errichtet. Bungalow – Siedlungen, Campingplätze und Ausflugslokale rund um den See werden dort von ihm und seiner Frau Änne betrieben.
Redekers politischer Aktivismus ist in erster Linie auf die ehemaligen deutschen Gebiete in Osteuropa fokussiert. 1984 war er schon auf einer gemeinsamen Reise mit dem verurteilten Holocaust-Leugner Germar Rudolf in der damaligen Tschechoslowakei unterwegs, um den dort inhaftierten Dissidenten Daniel Langhans zu besuchen. Dabei wurde er nach Angaben von Rudolf gemeinsam mit ihm für einige Tage inhaftiert, als sie einen Kopierer über die Grenze schmuggeln wollten.
In den 1990 ern verstärkte Redeker seine Aktivitäten und tauchte mehrmals als Redner und Teilnehmer diverser revanchistischer und revisionistischer Veranstaltungen und als Funktionär diverser neonazistischer Gruppen (u.a. Gesellschaft für Siedlungsförderung in Trakehnen mbH, Aktion Deutsches Königsberg, Verein Dichterstein Offenhausen – mittlerweile wg. NS – Wiederbetätigung verboten) auf.
2008 kandidierte er dann für die DSU bei den Kommunalwahlen und 2009 fand dann zum ersten Mal das NPD – Sommerfest auf seinem Anwesen statt. Das
dürfte wohl aber kaum die erste neonazistische Veranstaltung auf seinem Gelände gewesen sein. Laut einem MDR – Bericht vom 11. Mai 2010 haben Anwohner dort schon früher entsprechende Veranstaltungen beobachtet, wie bspw. ein Jugendcamp, was von der Beschreibung des Augenzeugen her der mittlerweile verbotenen „Heimattreue Deutsche Jugend“ zuzuordnen ist.
Am Stausee Quitzdorf hat sich in den vergangen Jahren ein kaum beachtetes Nazizentrum entwickeln können. Entscheidend für den Erfolg der Nazis ist hierbei, dass sie weitestgehend von der Bevölkerung und den politischen Verantwortlichen akzeptiert schalten und walten können.
Redeker bekam sogar von der Lokalpresse noch Anerkennung für sein Tun. Anstatt das Handeln von ihm und seinen braunen Kameraden zumindest kritisch zu hinterfragen feiert ihn die Lokalpresse in diversen Artikeln immer wieder als engagierten Tourismus – Investor. Eine Auseinandersetzung mit Redeker und seinen geschichtsrevisionistischen und revanchistischen Aktivitäten findet schlicht und einfach nicht statt.
Dieses Verhalten von Lokalpolitik, Presse und weiten Teilen der Bevölkerung ist beispielhaft für den Umgang mit dem Problem der immer stärker werdenden neonazistischen Organisierung im Landkreis Görlitz. Offensichtlich meinen die Verantwortlichen, dass sich das Problem durch Ignorieren irgendwann von alleine erledigt. Oder sie haben kein Problem mit den braunen Veranstaltungen am Quitzdorfer Stausee.
Paula Schmidt, Pressesprecherin der Antifaschistischen Aktion Görlitz dazu:
„Die Auseinandersetzung mit dem Neonazismus darf sich nicht nur auf die offen auftretenden NPD – Funktionäre oder gewalttätige Kameradschaften beschränken.
Dem braunen Biedermann Redeker ist es über die letzten Jahre am Quitzdorfer Stausee gelungen eine überregional bedeutende Neonazi – Infrastruktur aufzubauen. Gestört hat ihn dabei niemand.“
Marcel Renner, Sprecher der Antifa Lausitz ergänzt:
„Hier wird das rechte Auge in Ostsachsen wieder einmal fest zugedrückt. Entweder aus Unwissenheit, Sympathie mit seinem politischen Handeln oder Freude über seine Investitionen. Doch er leistet damit so oder so der gesellschaftlichen Etablierung rechter Ideologien Vorschub. Es liegt an uns, ob seine Strategie aufgeht oder ob er damit Baden geht.“
Weitere Infos finden sich auch unter:
Niederschlesisches Feriendorf
Artikel vom letzten Jahr (mit Links zu weiteren Artikeln):
NPD – Pressefest 2010
Auch die Sächsische Zeitung war nach einigen Jahr des Verschweigens jetzt ganz schnell und hat plötzlich gemerkt, dass am Stausee irgendwas nicht stimmt. GOTT sei dank!!!:
Samstag, 11. Juni 2011
(Sächsische Zeitung)
NIESKY/WALDHUFEN
Christen sagen Nein zu Neonazis am Stausee
Friedensgebete haben eine gute Tradition. Auch in Niesky. Am 27. Juni wird dazu in die Kirche der Brüdergemeine geladen – aus aktuellem Anlass: Vom 1. bis 3. Juli versammelt sich im „Niederschlesischen Feriendorf“ am Stausee Quitzdorf die bundesdeutsche neonazistische Szene zum Pressefest der „Deutschen Stimme“, der Monatszeitschrift der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD). Der ökumenische Stadtkonvent Niesky will dagegen ein Zeichen setzen. Schwester Sonja Rönsch, die Oberin der Diakonissenanstalt Emmaus in Niesky, gehört zum Konvent wie die Nieskyer Pfarrerinnen und Pfarrer. Sie wolle glaubwürdig bleiben – als Christin und als Mensch, sagt sie: „Wir müssen die Bevölkerung darüber informieren, was sich am Stausee tut.“
Das Neonazi-Treffen ist keine Einzelveranstaltung. Zum wiederholten Mal stellt das „Niederschlesische Feriendorf“, dessen Inhaberin Änne Redeker ist, Grundstücke am See für rechtsextreme Aktivitäten zur Verfügung. Der Sächsische Verfassungsschutz beobachte das Geschehen seit dem Jahr 2000, schreibt Referent Alrik Bauer. Die Behörde informierte im selben Jahr die zuständigen Mitarbeiter des Kreises, der Stadt, der Gemeinde und des Verwaltungsverbandes Diehsa. „Viele Menschen wissen das dennoch nicht“, sagt Sonja Rönsch. Sie trinken Kaffee im Feriendorf, gehen angeln, buchen Bungalows, ohne eine Ahnung zu haben, wen sie damit direkt oder indirekt unterstützen. Das bereitet ihr und den Pfarrern des Stadtkonvents Sorge.
Thomas Koppehl ist Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Niederschlesische Oberlausitz. Es gebe im Internet genügend Blogs, in denen stehe, dass dieses Treiben in Niesky akzeptiert werde. „Wir wollen als Christen und als Bürger unserer Stadt zeigen: Das stimmt nicht. Wir lehnen rassistische Ideologien ab und wollen nicht, dass der Stausee Ziel solcher Aktivitäten wird!“ Das menschenverachtende und gewaltverherrlichende Gedankengut, das in Texten und Musik vertreten werde, widerspreche dem christlichen Glauben zutiefst, sagt Koppehl. Schaden würde diese Entwicklung aber auch dem Tourismus, vom dem diese Region lebe.
Das sieht auch Holger Theurich so. Die Befürchtungen des Sproitzer Gastwirts gehen dahin, dass die Treffen zur Tradition zu werden drohen. „Wenn Dauercamper und langjährige Gäste wegbleiben – na dann, Prost Mahlzeit“, sagt er. Von den Tagesgästen könne keiner leben. Als früherer Mückaer Bürgermeister hat Holger Theurich aber noch andere Erinnerungen im Hinterkopf: als Mücka und seine Disko Anlaufpunkt für die rechte Szene war und bundesweit für Negativ-Schlagzeilen sorgte. „Hinterher musste ich mir viele kluge Ratschläge anhören“, sagt er. So alleingelassen habe er sich selten gefühlt, ob von Parteivertretern oder Behörden. Es könne nicht sein, nur von denen ganz unten zu erwarten, dass sie agieren, und das ohne Rückendeckung. Mangelnde Information sei Nährboden für rechtes Denken. Sein Vorschlag: „Ich stelle meine Räumlichkeiten zur Verfügung – ohne kommerziellen Hintergrund – und wir holen alle Bürgermeister an einen Tisch.“
In Geheege, seit 2009 mit Rechten-Konzerten konfrontiert, hat die Rothenburger Bürgermeisterin Heike Böhm (SPD) von Beginn an klar Stellung dagegen bezogen. Dass Wegschauen der falsche Weg sei, bekräftigt sie gestern auf SZ-Nachfrage: „Die NPD vertritt eine nationalistische und rassistische Ideologie.“ Die Sprache erinnere an die der NSDAP. Das zeige ihre Geschichtsvergessenheit und ihre geistige Verbundenheit mit den Vätern des weltweit schlimmsten Krieges, des 2. Weltkrieges. „Diese Ideologie hat großes Leid und Elend erzeugt“, sagt Heike Böhm, „sie schadet deshalb heute unserer Demokratie, unserer Wirtschaft und unserem Zusammenleben.“ Demokratisch gesinnte Politikerinnen und Politiker sollten deshalb eine klare Stellung gegen die NPD beziehen und „für unsere gemeinsamen Werte einstehen“.
Die Nieskyer Pfarrer tun das. Er sehe sonst die eigenen Mitglieder und Mitarbeiter betroffen, sagt Peter Vogt von der Brüdergemeine. „Denn wir sind eine Kirche mit weltweiter Ausstrahlung.“ Eine Kirche, die sich um Erfahrungsräume für junge Leute verschiedener Nationalitäten und internationale Begegnungen bemühe. Vier Nationalitäten, inklusive der Deutschen, sitzen am Tisch, als er das erzählt: Kristian Burczek von der katholischen Pfarrei St. Josef stammt aus einer deutsch-polnischen Familie. Peter Vogts Frau Jill ist US-Amerikanerin. Sie und ihr Mann haben einen Gast mitgebracht: Heather Robinson aus Jamaika. „Das wollen wir auch weiterhin sein: eine gastbereite, menschenfreundliche Oberlausitz“, sagt Thomas Koppehl. Das Friedensgebet sei nicht ohne Grund Mittel der Wahl. „Damit haben wir 1989 die Gesellschaft friedlich umgestaltet.“